Guten Abend,
auch die 30. und letzte Partie in diesem Match wurde zu einer bitteren Lehrstunde für den Turbo Polgar.
[Event "Revelation II AE Polgar Turnierschach"]
[Site "?"]
[Date "2019.12.14"]
[Round "60"]
[White "CGE & The King 2.61, Cortex M7 - 30 MHz"]
[Black "Revelation II AE Polgar, Emu 6502 ~ 55 MHz"]
[Result "1-0"]
[ECO "A20"]
[Annotator "Rapp,Egbert"]
[PlyCount "48"]
[EventDate "2019.12.14"]
1. c4 e5 2. g3 Nf6 3. Bg2 c6 4. Nf3 e4 5. Nd4 d5 6. cxd5 Qxd5 7. Nb3 Qh5 8. h3
{Ende Buch} Qg6 {Ende Buch} 9. d3 exd3 10. Nc3 dxe2 {? dies ist zu
materialistisch und bietet dem dynamisch ausgerichteten King erheblichen
Entwicklungsvorteil.} 11. Qxe2+ Be7 12. O-O Bf5 {? jetzt wird es bereits
Material kosten. Es gab hier keine Alternative zu 12. ...Lc8-e6, aber auch
dann ist die Stellung für Weiß vorteilhaft.} 13. Re1 Ng8 {? in dieser
Stellung ist der Turbo Polgar taktisch völlig überfordert. Noch immer war 13.
...Lf5-e6 das kleinere Übel.} 14. Bf4 Nd7 15. Rad1 Rd8 16. Na5 {[#] alle
weißen Figuren stehen aktiv, die schwarzen Figuren sind nicht harmonisch
entwickelt, eine Möglichkeit der Rochade in weite Ferne gerückt. Im
Gegenteil, dem Angriff der weißen Figuren kann nicht mehr genug
entgegengesetzt werden.} Nc5 {? forciert das unausweichliche Ende.} 17. Rxd8+
Kxd8 18. Qe5 Na6 19. Qd4+ Ke8 20. Nxb7 Bd7 21. Qxa7 Kf8 22. Nd6 Be8 23. Qxa6 {
[#] eine grausame Stellung aus Sicht des Turbo Polgar.} c5 24. Bc6 Qh5 {
und der Turbo Polgar gibt eine Partie auf, welche die Unterschiede der beiden
Programme nicht besser hätte belegen können.} 1-0
Der nun abgeschlossenen Wettkampf zwischen dem Revelation II AE (~ 55 MHz) und dem King 2.61 aktiv, 30 MHz endete wie folgt:
Revelation II AE Polgar Emu 6502 ~ 55 MHz: 8
CGE & The King 2.61, Cortex M7 - 30 MHz: 22
Das Ergebnis geht auch so in Ordnung. Allein auf Basis dieses Wettkampfes wäre der Turbo Polgar 176 Elo schwächer als der King 2.61 mit 30 MHz! In einem Turnier mit unterschiedlichen Gegnern bin ich jedoch sicher, könnte der King 2.61 diesen Vorsprung nicht bestätigen. Es ist aus meiner Sicht so, dass die Spielweise des Turbo Polgar dem King perfekt liegt.
Es waren hier einige wunderschöne Partien des King 2.61 zu bewundern und es ist keine Überraschung, dass die King Engine mit ihrem teilweise atemberaubenden und opferfreudigen Spielstil so viele Anhänger in der Schachcomputer-Szene hat.
Die King Engine von de Koning legt besonderen Wert auf Entwicklungsvorsprung, Raumgewinn und Felderkontrolle. Das Spiel des Kings 2.61 fesselt und begeistert mich.
Der Turbo Polgar mit seiner positionell sauberen und grundsoliden, aber zu Material-orientierten Spielweise ist mit diesem Gegner jedoch fraglos überfordert.
Taktisch war das Programm von Ed Schröder seinem Kontrahenten hoffnungslos unterlegen.
Ein echter Nachteil des Turbo Polgar in dem Wettkampf war sein wesentlich kleineres Eröffnungsbuch und damit einhergehend Nachteile in Richtung Bedenkzeit. Während die King 2.61 Engine in vielen Partien, oftmals mit den nicht immer korrekten Gambit-Varianten, fleißig Punkte sammeln konnte, da sein Gegner zu gierig reagierte.
Nun aber wenden wir uns einmal den Wettkampf-Prognosen unserer Forums-Freunde zu:
Und da ziehe ich meinen Hut vor
Wolfgang2, der mit seinem Tipp aus Sicht des Turbo Polgars mit 10:20 eine wirklich gute Einschätzung abgab.

. Respekt zolle ich auch
Kurt, welcher ein 11:19 prognostizierte und damit an zweiter Stelle liegt.

… und über meinen Tipp, 13:17 legen wir Mantel des Schweigens.

Ich habe den Turbo Polgar nach seinem guten Wettkampf gegen den ChessGenius Pro doch etwas überschätzt.
Was mir in den 30 Turnierpartien aufgefallen ist:
Revelation II AE Mephisto Polgar ~55 MHz:
+ überwiegend gute Eröffnungsbehandlung
+ sehr gute und wenig schwankende Stellungsbewertungen
+ sehr gutes Positionsspiel, hier ähnlich stark wie Nigel Short oder Mephisto Vancouver
+ durch das Doping via Revelation II AE wird das taktische Spielvermögen ordentlich aufgewertet
+ verbundene Freibauern werden bekanntermaßen sehr gut behandelt
+ sucht in nachteiligen Stellungen aktiv nach Remis-Möglichkeiten
- in einigen Eröffnungsvarianten ende das Buch des Turbo Polgar einfach zu früh
- übersieht den ein oder anderen starken Angriffszug, bzw. notwendigen Verteidigungszug, trotz Revelation II AE Doping. Ein taktischer Riese ist halt auch der Polgar mit ~55 MHz nicht. Der King 2.61 mit 30 MHz hat hier dem Ed Schröder Programm in vielen Partien ganz klar die Grenzen aufgezeigt. Sicherlich fehlen auch hier Hashtables.
- Königssicherheit und dass Wissen für eigene Königsangriffe ist nicht ausreichend vorhanden
- nur durchschnittliches Endspielvermögen, auch gerade hier werden Hashtables schmerzlich vermisst.
CGE & Element: The King 2.61, 30 MHz, aktiv:
+ gute und druckvolle Eröffnungsbehandlung, umfangreiche Eröffnungsbücher
+ durch die druckvolle Spielweise werden schwächere Gegner bereits in ihrer Entwicklung behindert und Stellungsvorteile gesichert
+ versteht eine Menge von Königsangriffen
+ trotz erheblicher Drosselung der Geschwindigkeit auf 30 MHz verbleibt eine respektable taktische Stärke mit relativ wenigen Aussetzern.
+ sehr attraktiver Programmier- Ansatz, der stark auf Entwicklung, Raumgewinn und Felderkontrolle ausgelegt ist
+ positionell solide
- nicht selten wird ein Bauer ohne jegliche Kompensation geopfert. Gegen schwächere Gegner kann dies jedoch gut gehen.
- neigt zu etwas optimistischen Stellungsbewertungen
- in ruhigen Stellungen, wo langfristige Planungen notwendig sind, schwächt sich das Programm nicht selten durch über-aktive Bauernzüge, welche die eigenen Bauernstrukturen schwächen.
- Schwächen und laxer Umgang mit der eigenen Königssicherheit bleiben nicht verborgen
- das Endspiel ist insgesamt nicht schlecht, von Turmendspielen einmal abgesehen.
Auch an dieser Stelle wieder herzlichen Dank für Eure regen Beteiligungen, Analysen und Kommentare. Der Wettkampf war zwar nicht sehr spannend, aber speziell der King 2.61 lieferte einige wunderschöne Partien, welchen diesen Mangel an Spannung mehr als wett gemacht haben.
Als nächstes plane ich eine Fortsetzung des Klassikers aus vergangenen Tagen der vorerst letzten Epoche der Hochleistungs-Schachcomputer (de Koning gegen Richard Lang) jedoch in moderner Ausprägung und zwar:
Revelation II AE London, aktiv ~ 68030, 118 MHz, 3 MB Hash vs.
CGE & The King 2.61, 30 MHz aktiv
Sicher, auch hier ist der King Favorit, allerdings vermute ich, dass der schnelle Mephisto London wesentlich mehr Widerstand leisten wird. Von der Hardware her dürfte der King trotz der starken Drosselung etwas besser gestellt sein. Während Mephisto London knapp 40 MIPS aus der Hardware kitzeln kann, sind es beim King ca. 60 MIPS. Über weitere Prognosen würde ich mich freuen. Mein Tipp lautet 12,5:17,5 aus Sicht des Revelation II AE London
Gruß
Egbert