Guten Abend Schachcomputer Freunde,
der erste Teil des Wettkampfs (ChessGenius Exclusive AREA) ist beendet. In der 50. Partie demonstrierte Hiarcs noch einmal eindrucksvoll, auf welch hohem Niveau diese Engine spielt. Eine wunderschöne Partie des Uniacke Programms.
[Event "CGE AREA"]
[Site "?"]
[Date "2018.05.18"]
[Round "50"]
[White "Rev. II Hiarcs 14.1, 1% Speed, 4 MB Hash"]
[Black "ChessGenius Exclusive V. 23.1, 300 MHz"]
[Result "1-0"]
[ECO "C55"]
[Annotator "Rapp,Egbert"]
[PlyCount "58"]
[EventDate "2018.05.18"]
1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bc4 Nf6 4. d3 Be7 5. O-O O-O {Ende Buch} 6. Re1 d6 7. a4
Bg4 8. h3 Bh5 9. Nbd2 {Ende Buch} Qd7 {? der erste schwächere Zug vom CGE. 9.
...Sc6-d4 war klar vorzuziehen.} 10. c3 {! beugt dem unagenehmen 10. ...Sc6-d4
vor.} Na5 11. Ba2 b6 {konsequenter wäre 11. ...c7-c5 gewesen. Weiß verfügt
bereits über Stellungsvorteile.} 12. Nf1 {! Hiarcs gruppiert seinen Springer
sehr gekonnt um.} Kh8 {Ein planloser Zug, welcher einfach nur ein Tempo
verliert. Nach wie vor war 12. ...c7-c5 noch besser.} 13. Ng3 Bxf3 {etwas
besser wäre 13. ...Lh5-g6 gewesen.} 14. Qxf3 Qxa4 15. Nf5 Qd7 16. b4 Nc6 17.
Qg3 {! Hiarcs beginnt den Finger in die Wunde zu legen.} g6 18. Bh6 Rg8 {
? verliert forciert, besser war 18. Tf8-b8, obgleich auch dann der weiße
Vorteil unübersehbar gewesen wäre.} 19. Nxe7 Qxe7 20. Qh4 Nb8 {? sehr
schwach. Es kam hier nur 20. ...Sf6-h5 oder Sf6-d7 in Frage. Nun wird Schwarz
an dem gefesselten Springer auf f6 untergehen.} 21. Bg5 Kg7 22. Qh6+ Kh8 23. f4
{! es gibt kein Entrinnen mehr für Schwarz.} Nbd7 24. Rf1 Rgc8 {verliert noch
schneller als 24. ...De7-f8.} 25. Qh4 Kg7 26. fxe5 Qxe5 27. d4 Qe7 28. Rxf6
Nxf6 29. Rf1 Kg8 {und der CGE gibt eine völlig verkorkste Partie auf. Erneut
spielte Hiarcs auf Großmeister Niveau. Eine wirklich sehr lehrreiche Partie,
wie hässlich sich Fesselungen auch langfristig auswirken können...} 1-0
Somit lautet das Ergebnis:
Die Eröffnungsphasen verliefen in diesem Match überwiegend ausgeglichen (bis zum jeweiligen Buchende), obgleich es auch den ein oder anderen Fehler im klassischen Eröffnungsbuch des CGE gibt, also einzelne Varianten die dem CGE keine Chance lassen. Nach Verlassen der Eröffnungsbibliothek zeigte dann aber Hiarcs eindrucksvoll, wie gut es das Programm versteht, sich zügig und dynamisch druckvoll zu entwickeln.
Diese Spielweise deckte evidente Programmschwächen des CGE schonungslos auf. Aufgrund des erheblichen Druckspiels von Hiarcs kam der CGE immer wieder in die Bredouille, führte seine Entwicklung nicht selten nicht zu Ende und verlor dabei nicht selten die Möglichkeit zur Rochade. Im Prinzip zog es sich durch den ganzen Wettkampf,
Hiarcs agiert und der CGE reagiert.
Im Vergleich zu meinen Partien mit dem ChessGenius Pro ist jedoch eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen. Dies ist wohl in erster Linie der wesentlich schnelleren Hardware beim CGE (ca. Faktor 5 gegenüber dem CGP) zu verdanken.
Das Endergebnis des Wettkampfs hat wohl in dieser Deutlichkeit etwas überrascht, zumindest mich. Doch das Resultat entspricht dem tatsächlichen Kräfteverhältnis. In allen Phasen der Partie ist die gedrosselte Hiarcs 14.1 Engine dem CGE überlegen. Positionell bestehen Klassen-Unterschiede. In Sachen Taktik ist zwar Hiarcs auch überlegen, allerdings bei weitem nicht so deutlich und selbst im Endspiel, der eigentlichen Domäne des CGE, ist die Engine von Mark Uniacke überlegen.
Dennoch ist die neue Lang-Engine, Version 3.21 eine Bereicherung für den Schachcomputer-Markt, da es eine Weiterentwicklung der Android-Version des ChessGenius darstellt (wer hätte dann überhaupt geglaubt, das König Richard hier noch einmal aktiv wird?) und diese auf dem Cortex M7von der Spielstärke wunderbar in die Bereiche der besten Schachcomputer der damaligen Spitze passt. Unter diesem Aspekt muss auch die anschließende Bewertung gesehen werden.
Die gedrosselte Hiarcs 14.1 Engine auf dem Revelation II oder auch das freudig erwartete The King-Modul xxx für den CGE spielen in einer eigenen Liga.
Was mir in den 50 Turnierpartien aufgefallen ist:
Rev. II Hiarcs 14.1, 1% Speed, 4 MB Hash:
+ sehr gute und druckvolle Eröffnungsbehandlung
+ durch die dynamisch druckvolle Spielweise werden schwächere Gegner bereits in ihrer Entwicklung behindert und anschließend vom Brett gefegt
+ positionell sehr stark, menschenähnlich planvoller Spielstil
+ ist in der Lage echte positionelle Opfer zu spielen!
+ die Engine „weiß“ um die Stärke eines Läuferpaars in offenen Stellungen
+ strategisch stark, „weiß“ eine Stellung zum richtigen Zeitpunkt zu öffnen
+ versteht eine Menge von Königsangriffen
+ trotz seltener Ausnahmen (es kann vorkommen, dass für einen Zug einfach zu viel Zeit verbraucht wird) ein gutes Zeitmanagement
+ ausgesprochen starke und intelligente Beschneidung der Suchbäume, dadurch werden sehr hohe Suchtiefen erreicht, welche nicht selten auch richtig greifen.
+ trotz erheblicher Drosselung der Geschwindigkeit auf dem Rev. II verbleibt eine hohe taktische Stärke mit sehr wenigen Aussetzern
+ hervorragende Endpielfähigkeiten (noch etwas stärker als der CGE)
+ sehr interessanter Programmier- Ansatz, der stark auf Raumgewinn und Druckausübung ausgerichtet ist
- neigt zu etwas optimistischen Stellungsbewertungen
- es kann vorkommen, dass die Engine für einen Zug zu viel Zeit benötigt, welche später fehlen kann
- in seltenen Fällen kann es vorkommen, dass Hiarcs einen Bauern ohne ausreichende Unterstützung nach vorne treibt
- sehr vereinzelt wird auch einmal ein Bauer ohne Kompensation geopfert, aber das gehört zum Spielstil der Engine
ChessGenius Exclusive V. 23.1, 300 MHz:
+ überwiegend gute Eröffnungsbehandlung (klassische London Buch)
+ aufgrund des schnellen Prozessors taktisch gefährlich, andere können es aber noch besser…
+ kann sich teilweise sehr zäh verteidigen
+ ein Endspielgigant aus der Perspektive der Schachcomputer, auch wenn es den ein oder anderen Fehler gibt, der Wettkampf zeigte aber auch, dass es auch hier noch bessere Programme gibt
- manche Eröffnungsvarianten sollten aus dem aktiven Repertoire genommen werden (s. z.B. Partie 36, 40, 42). Gambits sorgen für den Anwender oftmals für willkommene Abwechslung. Bekanntlich tun sich unsere Schachcomputer jedoch meist schwer, mit den entstandenen Stellungen wirklich etwas anfangen zu können, also die Kompensation dann zielführend auszunützen. Zumindest sollten dann bei solchen aktiv gespielten Gambit-Eröffnungen, wie z.B. dem Königsgambit , Haupt- und Nebenvarianten in der Breite und Tiefe umfassend implementiert sein
- nach Verlassen des Buchs wird nicht selten die eigene Entwicklung der Figuren nicht dynamisch genug vorangetrieben
- auch wird tendenziell zu viel mit der Dame in der Eröffnungsphase gezogen
- eine weitere evidente Programmschwäche ist, dass nicht mit ausreichendem Nachdruck die eigene Rochade angestrebt wird. Dies wurde dem Programm in diesem Wettkampf einige Male zum Verhängnis, jedoch ist hier eine Verbesserung zum CGP erkennbar
- …damit einhergehend wird die eigene Königssicherheit nicht ausreichend berücksichtigt
- das Bewertungsschema ist „alte Schule“ und somit sehr Material-orientiert
- es gibt keine Algorithmen zur Vermeidung, bzw. in nachteiligen Stellungen zur Ausübung von Dauerschachs
- neigt zu verstärktem Abtausch-Verhalten, durchaus auch in Stellungen wo dieses Programmverhalten zum Nachteil führt
- trotz aus Schachcomputer Sicht überragendem Endspiel, fehlt einiges an Wissen
Der Wettkampf hat mir bis dato sehr viel Spaß gemacht und
dass Spielen mit dem ChessGenius Exclusive ist auch eine wahre Freude. Nun sehe ich in freudiger Erwartung auf das Erscheinen des Moduls "The King" für den CGE. Dann darf sich erst einmal das neue Lang-Programm an der neuen de Koning Engine versuchen und wir bekommen evtl. einen ersten interessanten Quer-Vergleich.
Vielen Dank an alle für Euer reges Interesse, für die Beiträge und Analysen zu den Partien. Im Anhang befinden sich die 50 Partien für Interessierte.
Gruß
Egbert