Thema: Frage: Mm5 nur 1575 ELO ??
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Alt 28.06.2017, 09:20
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Die Sache mit der Eloliste ist leider nicht so einfach wie sie in der CSS immer mal wieder dargestellt wurde.

Als die Spitzengeräte ungefähr bei 1800 lagen, da gab es reichlich Partien gegen Menschen zum Vergleich. Bei den Menschen waren viele, die keine Erfahrung mit Computern hatten und Partien unter Wert verloren haben. Sei es wegen einer Überschätzung der Endspielfähigkeiten, sei es wegen ungewohnter Stellungsbilder.

Bei 2000 wurden immer noch viele Partien gegen Menschen gespielt und die Erfahrung war immer noch gering. Computer wurden zwar nicht mehr ganz so unterschätzt, aber viele Vereinsspieler spielten wie gegen Menschen und verloren mehr als "nötig". Gerade in den USA begann die USCF ein unrühmliches Kapitel über Schachcomputer in Turnieren.

In den Jahren bis 2200 erreicht waren, entstanden letztmalig viele gewertete Partien gegen Menschen. Teilweise (Fidelity) mit unsauberen Methoden, teilweise mit einer sehr großen Streuung (Novag). Bei Mephisto wurde sehr viel Wert auf die Spitzengeräte gelegt, aber bei aller Qualität, die Ergebnisse gegen Computer waren für die Werbung viel besser zu verwerten.

War der Amsterdam einfach nur stärker als die Konkurrenz, so kam danach auch immer noch die Hardware hinzu. Gegen die 68020 hatten auch mit 6 MHz getaktete 6502 keine Chance mehr. Die Ergebnisse der besten Computer gegen das Mittelfeld waren so gut, dass die errechnete Elo stark stieg. Im Spiel gegen Menschen war aber eher die Software entscheidend, denn die Menschen konnten verbesserte Taktik noch positionell kontern. Spitzenprogramme waren gegenüber gut informierten Menschen überbewertet, nur gegen nominell starke Menschen ohne Computererfahrung gelangen überdurchschnittliche Ratings.

Zum Zeitpunkt der Abstufung um 100 Elopunkte durch die SSDF wurde Spitzenprogramme durch ihre Erfolge gegen andere Computer zu hoch eingestuft und die älteren und schwächeren Programme rückten mehr und mehr in den Hintergrund. Die Abstufung um genau 100 Punkte war willkürlich, denn rein mathematisch über alle Programme war ja alles richtig gerechnet. Nur überzeichnen Computer gegeneinander ihre Spielstärkeunterschiede. Bei 100 Elo Differenz (ermittelt z.B. aus dem Vergleich mit Menschen) werden mehr als 64% der Punkte erzielt. Das Elo-Modell passt einfach nicht mehr.

Beim Menschen fallen Unzulänglichkeiten im Elo-Modell naturgemäß weniger auf. Zum einen verändern sich die Zahlen über die Zeit und eine Formschwankung von 50 Elopunkten wird nicht absolut verglichen sondern mit anderen Spielern ähnlichen Niveaus. Zum anderen reicht die Partiezahl nur für eine relativ bescheidene mathematische Genauigkeit. Es ist spannender die kleinen Sprünge auf Chess 2700 zu verfolgen als tatsächliche Erwartungen statistisch zu verfolgen.

Was bedeutet das für Spieler um die Elo 2000 und Partien gegen Computer? Das Wissen um die Spielweise kann sehr helfen (und dann bekommen Programme mit nominell 2200 eines auf die Mütze) aber Konzentration, Detailkenntnisse über das Eröffnungsbuch oder einzelne Bewertungskomponenten eines Programmes und äußere Umstände beeinflussen das Ergebnisse deutlich. Gerade die Erfahrung ist hier für Menschen sehr hilfreich. Ich bin mir sicher, auch ohne Schummelei oder ähnliches, die Ergebnisse eines Spielers gegen Computer fallen ein gutes Stück schlechter aus wenn das Programm anonym bleiben würde.
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Mapi (28.06.2017), Oberstratege (28.06.2017), RetroComp (28.06.2017), Wolfgang2 (28.06.2017)