Thema: Partie: Human vs Oldies
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Alt 19.01.2017, 13:30
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AW: Human vs Oldies

Liebe Schachfreunde

Der Einsatz von Schachcomputern in unserer Vereins-Meisterschaft in Pfäffikon, Kanton Zürich, Schweiz, war für mich als Bediener, wie auch für die teilnehmenden Spieler, immer spannend.

1986: Mephisto Amsterdam, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Das damalige Weltmeisterprogramm von Richard Lang erreichte 3 Pkt aus 7 Partien, eine Gewinnquote von 42,8 % bzw. eine Leistung von 1901 Elo.

1987: Mephisto Dallas, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Hervorragendes Resultat für das Programm von Richard Lang in diesem Klubturnier: Ein Score von 6.0 Pkt aus 8 Partien (75 %), was bei einem ELO-Schnitt von 1986 einer Leistung von 2174 ELO entspricht.

Die kommentierten Partien der Jahre 1986 und 1987 habe ich hier bereits publiziert.

1988: Saitek Maestro C18 (Turbo Kit), 8bit, CPU 65C02, 18 MHz
Schauen wir nun, wie es dem Programm von Julio Kaplan gelaufen ist.

In der 2. Runde, Unregelmässig des Klubturniers 1988 zeigte das Saitek-Programm schlicht eine schlechte Leistung, so dass der menschliche Spieler die risikoreich angelegte Partie für sich entscheiden konnte. Mit nur 0.5 Pkt aus 2 Partien dürften die Kaplan-Fans nicht zufrieden sein.


[Event "VM 120'/40"]
[Site "Pfaeffikon (publiziert)"]
[Date "1988.??.??"]
[Round "2"]
[White "Saitek Maestro C18"]
[Black "Gosch, Manfred"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "2100"]
[BlackElo "2120"]
[ECO "C00"]
[Annotator "Utzinger,K"]

1.e4
{Nach dem farblosen Remis in der 1. Runde gegen einen tiefer klassierten Gegner hat nun der Maestro TK C18 den ersten Bewährungstest zu bestehen. Leider gerät das Programm in einer lange Zeit unklaren Partie mit einer echt schwachen Leistung unter die Räder. An keiner Stelle der Partie konnte das Saitek-Programm seine guten Seiten aufzeigen.}
1...e6
{Manfred Gosch (ELO 2150) spielt die Französische Verteidigung recht sporadisch, aber schon jahrelang, aber er kann je nach Laune so ziemlich alle Eröffnungen aus dem Hut zaubern, so dass eine Vorbereitung auf diesen Gegner zum reinen Würfelspiel wird.}
2.Nc3
{Letzter Buchzug von Weiss - dank der von Schwarz selten gespielten Antwort.}
2...a6
{Typisch M.Gosch, der einmal mehr auf Experimente aus ist. Allerdings hat kein Geringerer als GM Nigel Short diese Rarität auch schon gespielt. Doch ist sein Gegner dann dem Aufbau der Französischen Verteidigung ausgewichen.}
3.d4
( 3.g3 b5 4.a3 Bb7 5.Bg2 c5 6.Nh3 Nf6 7.d3 d5 8.e5 Nfd7 9.f4 g6 10.O-O Nb6 11.g4 Rg8 12.Ng5 h6 13.Nh7 Be7 14.f5 gxf5 15.gxf5 Kd7 16.fxe6+ fxe6 17.Rf7 Rxg2+ 18.Kxg2 Qg8+ 19.Ng5 hxg5 20.Qh5 d4+ 21.Ne4 Bxe4+ 22.dxe4 Nc6 23.Bxg5 Nc4 24.Kh1 Qh8 25.Qxh8 Rxh8 26.Bf6 Rh5 27.Bxe7 Nxe7 28.b3 Nxe5 29.Rf8 Ng4 30.Kg2 Ne3+ 31.Kg3 Rg5+ 32.Kf3 Ng6 33.Rf7+ Kd6 34.Ra7 Rg2 {0-1 Frick,Christoph-Short,Nigel, Corsica Masters op 16th, 2012} )
3...c5
{Aha, eine Mischung aus Sizilianisch und Französisch, die nach 4.Sf3 zu einem ganz normalen Sizilianer führen könnte.}
4.Be3
{Normaler sehen die Fortsetzungen 4.d5 und 4.Sf3 oder 4.Sge2 aus. Natürlich kann man sich mit Weiss solche Züge leisten, muss sich dann aber nicht wundern, dass der Anzugsvorteil sich in Rauch auflöst.}
4...cxd4 5.Qxd4
{Falls Weiss 5.Lxd4 bevorzugt hätte, wäre ebenfalls 5...Sc6 gefolgt und er müsste ein Tempo verlieren, falls er das Läuferpaar nicht aufgeben möchte.}
5...Nc6 6.Qd2
{Nur die zweitbeste Wahl. Logischer war es, den Gegner mit 6.Db6 so quasi zum Damentausch zu zwingen.}
6...Nf6 7.Bd3
{Gute Alternativen sind a) 7.a3 oder b) 7.f3}
7...Bb4
{Eine interessante Alternative war 7...Sg4}
8.Nge2
{Mir gefällt 8.a3 zur Klärung der Situation, was er mit seinem Läufer zu tun gedenkt, besser.}
8...d5
{Droht Bauergewinn mit d5xe4}
9.exd5 exd5
{Typisch M.Gosch, der zugunsten einer aktiven Figurenentwicklung lieber einen schwachen Isolani im Zentrum in Kauf nimmt; anonsten ist die Alternative 9...Sxd5 mindestens als gleichwertig anzusehen.}
10.a3 Bd6 11.O-O
{Ein interessanter und zweischneidiger Plan war es, hier 11.0-0-0 zu wählen, um bei gegenseitigen Rochaden den Kampf zu suchen.}
11...O-O
{Es ist eine ziemlich ausgeglichene Stellung entstanden mit vielleicht langfristig geringfügigem Plus für Weiss wegen des schwarzen Isolani auf d5. Nun gilt es, für beide Seiten einen Plan zu finden.}
12.Nd4 $6
{Saitek Maestro C18 geht jegliches Gefühl für Feinheiten ab. Wenn Weiss den Springer nach d4 spielen wollte, dann hätte er vorerst die folgende Antwort mit 12.h3 verhindern müssen. Indessen standen mit a) 12.Lg5 für den Kampf gegen den Isolani oder mit b) 12.Lf4 zwecks möglichem Tausch des schwarzen guten Läufers zwei durchaus zweckmässige Züge zur Verfügung.}
12...Ng4
{Mit Doppelangriff auf h2 und den Se3.}
13.h3
( {Für} 13.Nxc6 $4 {hat Weiss keine Zeit wegen} 13...Bxh2+ 14.Kh1 Qh4 {und der Vorhang fällt.} )
13...Nxe3 14.Qxe3
{Mit Rücksicht auf die Schwäche der weissen Königsstellung, u.a. das Feld g3, hat Weiss natürlich keine Lust zu 14.fxe3. Dank der aktiven schwarzen Figuren und des Läuferpaars hat Schwarz eine vorteilhafte Stellung erreicht; konsequent war nun die Entwicklung 14...Te8 mit Besitznahme der offenen e-Linie und das noch mit Tempogewinn durch Angriff auf die gegnerische Dame.}
14...Qf6 $6
{Manchmal treibt M. Gosch seine Kreativität auf die Spitze und vor lauter Verfolgung eines nur ihm klaren Plans greift er zu zweit- und drittbesten Zügen. Oftmals hat er aber Erfolg damit, weil seine Gegner zu wenig unternehmen, um die versteckten Pläne von Gosch zu unterbinden.}
( 14...Re8 {hätte} 15.Nxc6 {erzwungen und nach} 15...bxc6 16.Qf3 Rb8 {hat ganz klar Schwarz das Sagen.} )
15.Nf3 d4 $2
{Konsequent, aber schlecht, wie die Folge zeigt . Sowohl mit 15...Le6 als auch 15...Se5 standen bessere Alternativen zur Verfügung.}
16.Qe4
{Mit Mattdrohung auf h7. Nun steht plötzlich Weiss wieder besser.}
16...g6 17.Nd5
{Stellt den Springer auf ein gutes Feld und greift die schwarze Dame an.}
17...Qg7
{Die "fianchettierte" Dame steht auf g7 nicht ideal, aber der d4-Bauer musste gedeckt bleiben.}
18.Qh4
{Spielt auf die schwarzfeldrigen Wunden seines Gegners und lässt auch den möglichen Läufertausch durch Lc8-f5 nicht zu.}
18...f5 $6
{Fortsetzung des schwarzen Hasardspiels, doch M. Gosch zieht eine schlechte/(re), aber unklare Stellung einer ungünstigen, aber klaren Position vor; meines Erachtens waren 18...h6 oder 18...Le6 vernünftigere Fortsetzungen.}
19.Nb6 $6
{Das auf d5 stark stehende Ross hätte ich nie und nimmer auf das weniger dominante Feld b6 gebracht; den Vorteil besser festgehalten hätten beispielsweise 19.Tfe1 oder 16.Sg5. In beiden Fällen hat Schwarz ein schweres Leben.}
19...Rb8 20.Bc4+
{Saitek Maestro C18 hat keinen Plan und gibt ein nutzloses Schach; auch hier waren einfach 20.Tfe1 oder 20.Tae1 die bedeutend besseren Optionen.}
20...Kh8 21.Rfe1
{Endlich wieder einmal ein Zug, den man nicht kritisieren darf.}
21...Ne5 $6
{Das einzig positive an diesem Manöver ist, dass der Zug gut aussieht; objektiv betrachtet sind jedoch 21...Le7 bzw. 21...Lc7 besser. Oder hat M.Gosch gar auf die primitive Falle 22.Dxd4?? Sxf3+ 23.gxf3 Dxd4 gesetzt?}
22.Bd5 $2
{Und wiederum zeigt sich das selektive Programm von Julian Kaplan nicht auf der Höhe, denn mit 22.Sg5! hätte sich der weisse Vorteil weiter ausbauen lassen.}
22...Nxf3+ 23.Bxf3 g5
{Nun hat sich das Bild radikal verändert, denn optisch scheint wieder Schwarz am Drücker; nüchtern betrachtet hat sich einfach der weisse Vorteil stark minimiert bzw. vollständig verflüchtigt.}
24.Qh5 d3 $6
{Weshalb dieser unnötige Vorstoss, zumal sofort 24...g4 die Initiative festhält.}
25.cxd3 $6
( {Mit} 25.Nxc8 Rbxc8 26.cxd3 {hätte Weiss versuchen können, sich seiner Sorgen zu erledigen, z. B.} 26...Rc2 27.b4 Be5 28.Rac1 Rxc1 29.Rxc1 Bb2 30.Rc5 Bxa3 31.g4 Bxb4 32.Rxf5 {während der sorglose Textzug des Computers dem Gegner die Initiative überlasst.} )
25...g4
{Schwarz kehrt auf den Pfad der Tugend zurück.}
26.hxg4
{Computeranalysen des Jahres 2016 scheinen zu bestätigen, dass Weiss hier mit dem überraschenden 26.Ld5! wohl noch hätte das Remis erreichen können. Die Varianten übersteigen natürlich die Fähigkeiten des damaligen Saitek Maestro C18 bei weitem.}
( 26.Bd5 {ist vielleicht eine gar noch genügende Verteidigung, weil auf} 26...Bc5 27.Re8 {möglich ist und nach} 27...Bxb6 {die überraschende Riposte}
( {a)} 27...Bd7 {spielbar, denn} 28.Rxb8 Rxb8 29.Nxd7 Qxd7 30.Qf7 Qxf7 31.Bxf7 g3 32.Rc1 Bxf2+ 33.Kf1 Rd8 {sieht auch nach Remis aus} )
( {b) ebenfalls möglich} 27...Bxf2+ 28.Kxf2 Qxb2+ 29.Ke1 Qxa1+ 30.Kd2 Qb2+ 31.Kd1 Qb1+ 32.Kd2 Qb2+ {und dieses Mal gibt Schwarz Dauerschach} )
28.Rae1 {nun} 28...Bd7 {erzwingt} 29.R8e7 {! Dieser Zwischenzug lässt Schwarz keine andere Wahl als sich auf die folgende Abwicklung einzulassen.} 29...g3 30.Rxg7 gxf2+ 31.Kh2 Bc7+ 32.g3 Bxg3+ 33.Kg2 fxe1=N+ 34.Kxg3 Kxg7 35.Qg5+ Kh8 36.Qd2 Rg8+ 37.Kf2 Rbe8 38.Bxg8 Kxg8 39.Qg5+ Kf7 40.Qh5+ Kg8 {und Weiss wird Dauerschach geben müssen.} )
26...fxg4 27.Be4 g3 $1
{Ein starker Schlag mit der Drohung gxf2.}
28.f3
( 28.fxg3 {verlöre nach} 28...Bg4 29.Qd5
( 29.Qh4 Rf6 )
29...Rbd8 )
28...Be6
{Trotz Bauernminus steht Schwarz dank seiner aktiv stehenden und gut zusammen arbeitenden Figuren besser. Wegen der starken Drohung ...Tf8-f6-h6 hat Weiss keine Zeit für ruhige Fortsetzungen wie 29.b4 oder 29.Tab1.}
29.Bxh7 $2
{Der Saitek Maestro C 18 ist materialistisch eingestellt, sieht nur den möglichen Bauerngewin wegen des in der Luft hängenden Le6, aber verkennt völlig die Lage, die nach der folgenden Antwort von Schwarz entsteht. Der einzige Versuch, die Stellung vielleicht noch irgendwie zusammenzuhalten, bestand in 29.Sc4 usw.}
29...Rf6 $1 $19
{Stark gespielt mit Schutz des Le6 und der vernichtenden Drohung Th6. Das folgende Abzugsschach hilft Weiss leider nicht.}
30.Bg6+
( 30.Bf5+ Rh6 31.Qxh6+
( 31.Qg4 Bxf5 32.Qxf5 Qd4+ 33.Re3 Qxe3+ 34.Kf1 Rh1# {Matt} )
31...Qxh6 32.Rxe6 Bc5+ 33.Kf1 Qh1+ 34.Ke2 Qxa1 {-+} )
30...Kg8
{Weiss ist nun unrettbar vorloren.}
31.d4 $2
( {Der Textzug verliert widerstandslos, aber auch} 31.Nc4 {vermag am Partieausgang nichts zu ändern nach z. B.} 31...Bxc4 32.dxc4 Rxg6 33.Qd5+ Kf8 34.Rad1 Qh8 {mit schwarzer Gewinnstellung} )
31...Rxg6 32.Re4 Rh6 33.Qa5 Rf8
{Auch 33...Lc7 oder 33... Dh7 genügen zum Gewinn. Den Rest hätte man sich sparen können.}
34.Rc1 Bf5
{Mit 34...Th1+ war ein Matt in 9 möglich.}
35.Qd5+ Kh8 36.Rce1 Qh7
{Mit Mattdrohung Th1}
37.Kf1 Rh1+ 38.Ke2 Rxe1+ 39.Kxe1 Qh1+ 40.Ke2 Qxg2+
{Nach dieser schlechten Vorstellung von Saitek Maestro C18 und 0.5 Pkt aus 2 Partien (25%), schwante mir Böses in diesem Turnier.}
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Folgende 3 Benutzer sagen Danke zu applechess für den nützlichen Beitrag:
breizatao (20.01.2017), Egbert (19.01.2017), Mapi (19.01.2017)