Thema: Partie: Human vs Oldies
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Alt 15.01.2017, 19:57
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AW: Human vs Oldies

Liebe Schachfreunde

Der Einsatz von Schachcomputern in unserer Vereins-Meisterschaft in Pfäffikon, Kanton Zürich, Schweiz, war für mich als Bediener, wie auch für die teilnehmenden Spieler, immer spannend.

1986: Mephisto Amsterdam, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Das damalige Weltmeisterprogramm von Richard Lang erreichte 3 Pkt aus 7 Partien, eine Gewinnquote von 42,8 % bzw. eine Leistung von 1901 Elo.
Die kommentierten Partien habe ich hier bereits publiziert.

1987: Mephisto Dallas, 16bit, 68000 CPU, 12 MHz
Schauen wir nun, wie es dem verbesserten Programm von Richard Lang gelaufen ist.

In der 5. Partie gelang es dem menschlichen Gambitspieler, das Mephisto-Gerät in der Eröffnung zu überspielen. Doch verpasste er leider eine sehr starke Fortsetzung und wählte auch in der Folge einige zweitklassige Züge mit schweren Folgen. Mit schliesslich zwei Minusbauern ohne Chancen auf Angriff für Weiss, war es für den Mephisto Dallas 16bit nicht schwer, den vollen Punkt zu holen. Dank 4.0 / 5 steht das Elektronenhirn sehr gut platziert in der Tabelle.


[Event "VM 120'/40"]
[Site "Pfaeffikon"]
[Date "1987.??.??"]
[Round "5"]
[White "Emch, Hans-Jakob"]
[Black "Mephisto Dallas 16bit"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "1980"]
[BlackElo "1986"]
[ECO "D00"]
[EventDate "1987.??.??"]
[Annotator "Utzinger,K"]

{Mit 3 Pkt aus 4 Partien (75%) hat sich Mephisto Dallas in den ersten Runden schon gehörig Respekt verschafft, auch wenn nicht alle Partien überzeugen konnten. Den heutigen Gegner in der 5. Runde hat das Computerprogramm vom Elo-Wert her nicht zu fürchten.}
1.d4
{Gespannt war ich, ob es Hans-Jakob Emch (ELO 1980) auch gegen den Computer wagen würde, das Blackmar-Gambit zu spielen.}
1...d5 2.e4
{Ja, er wagt das Gambitspiel.}
2...dxe4 3.Nc3 Nf6 4.f3 Bf5 5.fxe4 Nxe4
{Schwarz letzter Buchzug}
6.Qf3
{Gemäss der Datenbank auf meiner ChessBase App hat Weiss mit diesem Zug bei 594 Partien eine Gewinnquote von 58 %.}
6...Nd6
{Die beste Antwort mit Schutz des f5-Läufers und des b7-Bauern.}
7.Bf4
{Droht den Tausch Lxd6, wonach der ungedeckte Lf5 verloren ginge.}
7...Nc6 $5
{Eine grosse Überraschung, deren Folgen das Computerprogramm unmöglich abschätzen konnte. Die normale Fortsetzung ist 7...e6. Mit dem Textzug wird der Gegenschlag ...Sxd4 vorbereitet, falls sich Weiss auf die komplizierte Variante mit 8.Lxd6 einlassen sollte.}
( 7...e6 8.O-O-O c6 9.g4 Bg6 10.Qe3 Be7 {unklar} )
8.O-O-O $1
{Es ist wohl richtig und vor allem auch vom praktischen Standpunkt aus für Weiss besser, sich nicht auf die wilden Verwicklungen nach 8.Lxd6 - siehe Variante - einzulassen. Mit der langem Rochade sichert sich Weiss vielleicht gar den Anzugsvorteil. Leider gibt es nicht viele Partien zu dieser Stellung, so dass eine endgültige Beurteilung schwer fällt.}
( {Nach} 8.Bxd6 Nxd4 9.Qxb7 Rb8 10.Qxa7 Nxc2+ 11.Kf2 exd6 12.Bb5+ Rxb5 13.Nxb5 Qh4+ 14.g3 Qc4 15.Na3 Nxa3 16.Re1+ Kd7 17.Qe3
( 17.Qxa3 d5 $17 {ist besser für Schwarz} )
17...Be6 18.bxa3 g6 19.Rc1 Qa4 20.Nf3 Bg7 21.Rhd1 Ra8 22.Ne5+ Bxe5 23.Qxe5 Qa7+ 24.Rd4 Qb6 25.Rc3 Bxa2 {herrscht materielles Gleichgewicht mit unklarem Ausgang.} )
8...Qd7
{Genauer ist 8...Dc8}
9.d5 Nb4 $6
{Ein zweifelhafter Zug anstelle von 9...Sd8.}
10.Bxd6 $1
{Noch zeigt sich Weiss auf der Höhe des Geschehens. Die Antwort ist erzwungen.}
10...exd6
{Weiss hat die Eröffnungsschlacht fuer sich entschieden und steht spürbar besser ... wenn er nur die richtige Fortsetzung gefunden hätte.}
11.Bb5
{?! Schade, denn mit den direkteren Optionen wie a) 11.Td4! oder b) 11.a3! hätte Weiss den Gegner in noch grössere Verlegenheit bringen können. Der Springer darf nicht wegziehen wegen 12.Lb5 usw.}
( {a)} 11.Rd4 Nxd5 12.Rxd5 Be6 13.Rd1 O-O-O {und Schwarz hat nur 2 Bauern für die Figur.} )
( {b)} 11.a3 Kd8 12.axb4 Bg4 13.Qf4 Bxd1 14.Kxd1 {und der kleine materielle Nachteil von Schwarz, seine unsichere Königsstellung und schlechtere Entwicklung sind zugunsten von Weiss.} )
11...c6 12.dxc6 $2
{Was ist denn das? Dieser Fehlgriff - an dessen Stelle 12.La4 mit noch immer weissem Vorteil hätte folgen sollen - reduziert den schwarzen Nachteil auf ein Minimum.}
( 12.Ba4 {! und +/-} )
12...Nxc6 13.Re1+
( {Nach} 13.Nd5 Be6 14.Ne2 {wäre Weiss noch immer im Besitz der Initiative.} )
13...Be6 14.Nh3
( 14.Nge2 O-O-O 15.Nd4 d5 {=+ macht den gesünderen Eindruck als diese gekünstelte Springerentwicklung. Offenbar hat sich Weiss davon zu viel versprochen.} )
14...Be7
{Zum ersten Mal in der Partie hat sich der Vorteil zugunsten von Schwarz gewendet.}
15.Nd5
{Der Logik des vorhergehenden Zuges 14.Sh3 gehorchend verdiente 15.Sf4 den Vorzug.}
15...Bxd5
{Bestimmt nicht schlechter war die kurze Rochade.}
16.Qxd5 O-O
{Nun hat Weiss nur ungenügende Kompensation für den Bauern, den er in der Eröffung ins Geschäft gesteckt hat.}
17.Re4
{Eine interessante Fortsetzung, nachdem man sonst eher a) 17.Thf1 oder b) 17.c3 erwarten würde.}
17...Qc7
{Die Dame begibt sich aus der Fesslung und ermöglicht so, bald einmal die bärenstarke Zentralisierung Sc6-e5.}
18.Qh5
{Eine typisch menschliche Reaktion. Weiss hofft noch auf einen Angriff gegen den schwarzen König, doch kommt diese Aktion nie richtig in Schwung. Mit einer der Stellung gerecht werdenden Behandlung wäre Weiss bestimmt besser gefahren. Der schwarze d6-Bauer ist eine Schwäche und sollte deshalb unter Dauerbeschuss gehalten werden. Ferner müsste versucht werden, das Blockadefeld d5 dauerhaft besetzt zu halten und dort nach Möglichkeit einen Springer zu platzieren. Auch gehört der weissfeldrige Läufer auf die Diagonale a2-g8.}
18...Ne5 19.Nf4 Rac8
{Mit Mattdrohung auf c2 und totaler Besetzung der halboffenen c-Linie.}
20.c3
{Alternativen, die am grundsätzlichen Charakter der Stellung nichts ändern, sind 20.La4 und 20.De2.}
20...Qc5 21.Be2
{Ein unglücklicher Rückzug. Am besten war es wohl, die zu keinem wirklichen Zweck dienende Dame von h5 nach e2 zu bringen.}
21...a5
{Hier hatte Schwarz mit 21...f5 eine interessante und komplexe Fortsetzung zur Verfügung.}
22.Rd1
{Prophylaxe mit 22.Kb1, was nach dem Wegzug des Sf4 der Gefahr von ...Sd3+ nebst Dc5xh5 begegnet, war zweckmässiger.}
22...Bg5 23.Kb1
{Entfernt den König wegen der Drohung ...Lxf4, Txf4 Sd3, Lxd3, Dxh5, noch rechtzeitig aus der Fesslung.}
23...h6
{Das zentrale Ross von Schwarz auf e5 stellt ein enorm starkes Element dar, das alle weissen Scheinangriffe schon im vornherein im Keim erstickt. Deshalb scheint hier der Tausch 23...Lxf4 angebracht.}
24.Nd3 $2
{Weiss will den allmächtigen e5-Springer beseitigen, kommt aber vom Regen in die Traufe, weshalb 24.g3 als Bestzug anzusehen ist.}
24...Qc6 $1
{Sieht gut aus, allerdings gespielt aus dem falschen Grund, um nach dem Wegzug des angegriffenen Turms den weissen g2-Bauer zu schnappen.}
25.Rd4 Qxg2
{Nicht die beste Wahl, die in 25...Sc4 bestand}
( 25...Nc4 26.Qf3 Qb6
( 26...Nd2+ 27.Rxd2 Bxd2 {genügt wohl auch zum Gewinn.} )
27.Rxc4 Rxc4 28.Nb4 Rc5 29.Nd5 Qc6 30.Qd3 Re8 $19 )
26.Nxe5
( {Leicht besser war} 26.Rxd6 g6 27.Bf1 Qe4 28.Qe2 Qxe2 29.Bxe2 Nc4 )
26...dxe5 27.Rd7 b6 28.a3 g6 29.Qf3 Qxh2
{Und noch ein Bauer, somit 3 schwarze Mehrbauern: die Partie ist entschieden, zumal keine Angriffsmöglichkeiten besitzt.}
30.Rf1 Bf4 31.Qe4 Rcd8 $4
{Ein wirklich dummes Manöver, das allerdings nicht bestraft wird.}
32.Rxf7 $2
{Ein Verzweiflungsopfer im falschen Moment, doch hatte Weiss bereits mit Zeitproblemen zu kämpfen. Am aussichtsreichsten sieht 32.Lc4 aus, um in der Partie zu bleiben.}
( 32.Bc4 {droht Dxg6} 32...Kg7
( 32...Qg3 33.Bxf7+ )
33.Bxf7 Qg3 34.Rxd8 Rxd8 )
32...Kxf7
{Und wieder hat Mephisto Dallas - allerdings erneut mit Glück und nicht optimalem Spiel - gewonnen und damit sehr gute 4 Punkte aus 5 Partien in der Tabelle. Wer kann nun noch verhindern, dass sich ein Elektronenhirn das erste Mal als Sieger des Klubturniers einschreiben wird?}
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Folgende 5 Benutzer sagen Danke zu applechess für den nützlichen Beitrag:
Boris (15.01.2017), breizatao (16.01.2017), RetroComp (15.01.2017), Robert (16.01.2017), Stranger (15.01.2017)