AW: Elo/Bedenkzeit
Hallo,
der Denkfehler besteht wahrscheinlich einfach nur darin, in der ELO-Zahl eine Größe für die absolute Spielstärke zu sehen.
Dann tritt genau das oben sehr schön beschriebene Gedankenspiel in Kraft, denn wir gehen jetzt einfach mal vereinfachend davon aus, daß man generell stärkere Züge macht, wenn man mehr Zeit zum Nachdenken hat. Das trifft nämlich nicht nur auf Computer zu. Auch einem Magnus Carlsen, der eine Turnier-ELO von weit über 2800 hat, könnte man so im Umkehrschluß eine Blitz-Elo von meinetwegen 2000 "anhängen", weil er ja im Blitz vieles von dem übersieht, was ihn im Turnierschach so stark macht. (Und unsereiner hätte analog wohl nur noch eine Blitz-Elo von 100 oder so…) Das Dumme ist nur: Es gibt trotzdem niemanden, der ihn jetzt beim Blitzen immer schlägt, obwohl er doch bloß noch 2000 ELO hat! Und warum? Weil die anderen natürlich auch blitzen und somit genau das gleiche Handicap haben. (Das ist wichtig: Wir spielen natürlich immer unter gleichen Bedingungen für beide Spieler!)
Deshalb bleibt man praktischerweise dabei und verändert die ELO-Zahl einfach gar nicht, denn die Kern-Aussage, die durch den Unterschied der ELO-Zahlen zweier Spieler entsteht, würde durch einen wie auch immer gearteten Offset ja sowieso nicht beeinflusst. 2800 gegen 2800 geht genau so aus wie 2000 gegen 2000. Und Carlsen ist auch im Blitz immer noch 1000 Elo-Punkte besser als ich.
Warum gibt es dann überhaupt unterschiedliche Listen für verschiedene Bedenkzeiten (nicht nur bei uns, auch bei der FIDE)? Weil manche Spieler unter der Reduktion der Bedenkzeit mehr leiden als andere und nicht alle gleichmäßig "schwächer" werden. Das kann dazu führen, daß sich die Reihenfolge in einer Rangliste ändert, und diese (relativen) Unterschiede sind interessant!
Wenden wir das soeben Erlernte an unserer Situation an: Wenn ein Gerät in der Aktiv-Liste einen höheren Wert hat als in der Turnier-Liste, dann soll das also natürlich nicht heißen, daß irgendjemand glaubt, das Gerät würde mit kürzeren Bedenkzeiten bessere Züge machen als mit längeren. Es heißt lediglich, daß es bei der kürzeren Bedenkzeit relativ zu den anderen Geräten besser abschneidet, d.h. die Qualität seiner Züge nimmt nicht ganz so stark ab, wie das bei den anderen der Fall ist.
Hoffentlich konnte ich zur Klärung dieses komplizierten Sachverhalts ein wenig beitragen.
Viele Grüße,
Dirk
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