Dass 1985 in der Welt der Schachcomputer ein Wunder passiert sein musste, erfuhr ich aus ganzseitigen Anzeigen auf den Rückseiten wohl sämtlicher Schachmagazine: Gegen meinen „Mephisto III“ lasen die Daten des „Amsterdam“ sich wahrhaft atemberaubend.
Es traf sich also gut, dass mich kurz darauf ein Klassenausflug in die Nähe der Hamburger Mönckebergstraße führte. Entschlossen zog ich einen Kameraden am Arm, gemeinsam Karstadt „Spiel & Sport“ zu entern. Damals fanden Schachcomputer dort noch richtig statt! Gerät an Gerät, wohl eine ganze Abteilung.
Als wir auftauchten, in Parka und mit Plastiktüten, befand sich der Verkäufer gerade im Gespräch mit einem älteren Ehepaar, offensichtlich vermögend. Ob man das Gerät auch auf Reisen nehmen könne? Selbstverständlich zog der Verkäufer einen Mephisto-mobil vor, schob das Modul hinein, klappte auf, präsentierte. Daraufhin zogen die Herrschaften sich etwas zurück, leise den Erwerb des Gerätes zu diskutieren, während der Verkäufer beide wie ein Beschwörer im Auge behielt.
Ein alles entscheidender Moment also, in welchen meine Plastiktüte hineinknisterte: Ob ich mit dem Mephisto Amsterdam mal spielen könne? ging ich den Verkäufer von der Seite an. Der atmete scharf aus, als spucke er Kerne an den Wegesrand: „In der Vitrine da könnt ihr ihn euch anschauen!“
Meine erste Begegnung mit dem Mephisto Amsterdam.
Da die Emulation klassischer Schachprogramme seit einiger Zeit im Kommen ist, traf ich den Amsterdam heute auf dem Bildschirm eines Netbook wieder. Wobei ich zuvor ausgetestet hatte, dass der Amsterdam dort „voll auf Speed“ Fischers Lg4-e6!! circa 6x schneller findet. Level 3, 30sek./Zug schien mir daher ausreichend, die Turnierstufe zu simulieren und meine Frau so nicht allzu lange mit meinem sonderbaren Hobby zu verwundern.
Ich spielte, wie ich damals als Schüler spielte, als ich mir anhand einiger Partien von Paul Morphy und Dr. Tarrasch den Italiener beigebracht hatte: Mit Le3/fe3: oder Sh2/f4 die f-Linie öffnen, Türme verdoppeln, auf f6 einschlagen!
Das Ergebnis verwunderte mich derart, dass ich auf Level 4 nochmal nachspielte - mit dem gleichen Ergebnis. Ich mietete einen „Houdini“, 10.000.000 Knoten/Sekunde, den Dingen auf den Grund zu gehen: Eigentlich kaum Gemecker, bis 21…Te6? und 22…Da7?? die Partie fortwirft. Erst auf Level 6 spielt der emulierte Amsterdam korrekt weiter. Kostet allerdings circa zwei Minuten Lebenszeit pro Zug, welche ich auf jenem Level vertrödeln würde. Außerdem ist Mephisto Amsterdam gegen Menschen dann wohl so stark, dass ich auch gleich gegen Houdini verlieren kann.
Daher gehe ich weiter davon aus, spätestens auf Level 4 „voll auf Speed“ gegen einen Mephisto Amsterdam zu spielen, der stark ist wie 1985 auf Turnierstufe. Und ich weiß ja von meinem Roma II, dass die Weltmeister von damals sich eben auch mal auf Turnierstufe „einfach so“ mattsetzen ließen.
[Event "Lv. 3"]
[Site "?"]
[Date "2013.03.03"]
[Round "?"]
[White "Schlesinger, Christian"]
[Black "Mephisto Amsterdam, Emulation"]
[Result "1-0"]
[ECO "C50"]
[PlyCount "49"]
1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bc4 Bc5 4. Nc3 Nf6 5. d3 d6 6. h3 O-O 7. O-O a6 8. Be3
Bxe3 9. fxe3 b5 10. Bb3 Bd7 11. Ne2 Na5 12. Ng3 Nxb3 13. axb3 c6 14. Qe2 Qb6
15. Rf2 Rab8 16. Raf1 a5 17. Nh4 Rbe8 18. Rxf6 gxf6 19. Nhf5 Bxf5 20. Nxf5 Kh8
21. Qh5 Re6 22. Rf3 Qa7 23. Rg3 Rg8 24. Rxg8+ Kxg8 25. Qh6 1-0
[Event "Hamburg"]
[Site "?"]
[Date "1993.10.10"]
[Round "?"]
[White "Schlesinger, Christian"]
[Black "Mephisto, Roma II"]
[Result "1-0"]
[ECO "D31"]
[PlyCount "41"]
1. d4 d5 2. c4 c6 3. Nf3 e6 4. Nc3 dxc4 5. e4 b5 6. e5 Ne7 7. a4 Nd5 8. axb5
Nxc3 9. bxc3 cxb5 10. Ng5 Bb7 11. Qh5 g6 12. Qh3 Be7 13. Qg3 Nd7 14. h4 O-O 15.
h5 Bxg5 16. Bxg5 Qb6 17. Qh4 Qc6 18. f3 Kg7 19. Bf6+ Kg8 20. hxg6 h5 21. Qxh5
1-0