Hallo zusammen,
@Horst:
So, nachdem ein wenig Zeit vergangen ist, sind ein paar Erinnerungen wieder hochgespült worden ... und (für mich) ein paar neue Erkenntnisse.
Ich erinnere mich, daß ich "in der guten alten Zeit" meinen ersten Mephisto III auch auf 12 MHz übertaktet habe ... den Mephi hatte ich als Gebrauchtgerät damals noch von Ernst Musch gekauft, mit ESB 6000 Brett ...
Auch vor anderen Kisten habe ich damals nicht mit dem Lötkolben halt gemacht ...
Das war aber auch noch eine andere Zeit: Einerseits gab es nicht die große Auswahl, die Spielstärke war im Vergleich zu heute doch eher bescheiden ... und es waren halt Gebrauchsgeräte ... Schachcomputer ... klar, schon was Besonderes, aber man wusste schon, nächstes Jahr kommt der Nachfolger ...
Heute hat sich die Situation aus meiner Sicht- und Handlungsweise doch gewaltig geändert: PC Programme (notfalls mit DGT Brett) spielen im 3.000er Elo Bereich ... die absolute Spielstärke kann also kein Argument zum Tunen sein. Was ist es denn?
Wenn ich darüber nachdenke, gibt es durchaus Bereiche, die man streng genommen als Tunig bezeichnen muss, die aber aus meiner Sicht völlig legitim sind. Als Beispiel möchte ich hier die Umbauten der Brettelektronik nennen. Das, was Hegener & Glaser damals teilweise verbaut hat, spottet einfach jeder Beschreibung und ist für die wertvollen Module teilweise eine echte Gefahr ... diese Elektronik gegen moderne und sichere Technik auszutauschen ist sicherlich sehr sinnvolles und unsichtbares "Tuning" ... ich denke, es wird niemanden geben, der da widerspricht.
Aber es gibt selbst komplette Tuninggeräte, die zum Zeitpunkt der Erfindung ein Tuning waren, aber heute schon selbst "Geschichte" sind: Angefangen bei den legendären Turbo Kits bis hin zur V11 ... Alles Beispiele für Geräte, die heute echte Klassiker sind ... obwohl sie nicht "Serie" sind.
Auch heute gibt es Gründe, alte Brettgeräte zu tunen. Zum Beispiel um zu testen, welche Reserven im Programm stecken. Ich bin zum Beispiel begeistert, daß mein Turbo Polgar 25 MHz im Revelation im direkten Zweikampf mit dem Risc 2 durchaus noch auf gleicher Höhe ist ...
Und dennoch, bei aller Begeisterung ... ich würde an meine Schachcomputer nie Hand anlegen ... außer, wenn sie kaputt sind und reanimiert werden müssen. Heute sehe ich meine Geräte als ein Stück Geschichte. Geschichte des Computerschachs, der KI Forschung, der Computertechnik allgemein. Nach wie vor bin ich überzeugt, daß viele unserer alten Programme mehr Charakter, Spielwitz und auch Schachwissen haben als die meisten neuen Programme. Abgesehen von Ruuds Revelation gibt es auch keine Geräte am Markt, deren Verarbeitungs- und Materialqualität mit den alten Holzbrettern auch nur ansatzweise vergleichbar ist.
Wegen dieser Einstellung, die Geräte als einen Teil der Geschichte zu sehen, die es zu bewahren gilt, kommt "Modding" für mich persönlich nicht mehr in Frage. Trotzdem kann ich jeden verstehen, der zum Lötkolben greift, um 50 zusätzliche Elopünktchen aus seinem Gerät zu holen ... um dann das Ergebnis mit stolzgeschwellter Brust bei Onlineturnieren oder Partien zu präsentieren.
So sehr wie ich mich am perfekten Zustand meines Glasgows erfreue, so sehr kann sich User xy an acht statt vier Megahertz Taktgeschwindigkeit erfreuen ... und obgleich unsere Ziele und Herangehensweisen höchst unterschiedlich sind, so verbinden uns diese Plastik- und Holzkisten doch ... und das ist es, was letztendlich zählt.
Beste Grüße an Euch,
Sascha