Hallo !
Ergebnisübersicht Gruppe I
Die Favoriten konnten sich in dieser Gruppe klar durchsetzen - es siegten die beiden mit permanent brain ausgestatteten Programme Cosmic und Lexibook ChessMan Pro. Der Cosmic war übrigens in der "Handicap-Version" am Start, er kann nicht selbständig rochieren (mit Ausnahme der Eröffnungsbibliothek).
Die Frage ist, wieviel stärker der Cosmic mit Rochademöglichkeit spielt - ich schätze mal ca. 200 Elo - damit wäre er für die U 1400 zu stark. Dazu ist auch ein Blick in die aktuelle Aktivschachliste interessant, dort steht der Cosmic (ohne Rochade) nach 49 Partien mit 1400 zu Buche (+-90), während der vermutlich programmgleiche Touch Screen Travel Chess (mit Rochade) nach 23 Partien mit Elo 1570 (+-145) gelistet wird.
Aber es soll auch einige wenige Touch Screen Travel Chess ohne Rochade geben... eine spannende Angelegenheit, die einer näheren Untersuchung bedarf.
Der Turniersieger Cosmic kam zwar einige Male wegen der fehlende Rochademöglichkeit in Bedrängnis, aber die schwächeren Computer waren nicht in der Lage aus diesem Bug Kapital zu schlagen. So war sein Sieg mit 14,5 Punkten bei nur einer Niederlage nie in Gefahr.
Lexibook Chessman Pro spielte nicht ganz so souverän gegen die schwächere Konkurrenz, gewann aber als einziger gegen Cosmic eine Partie, sodaß sein Punktekonto verdientermaßen für den Vizetitel reichte.
Rang 3 war hart umkämpft, am Ende hatte Mephisto Mini mit 11 Punkten knapp die Nase vorn vor Novags Super Sensor IV (mit Toshiba-ROM bestückt). Super Sensor IV punkte voll gegen die "Elo-Schlümpfe" von der letzten Bank und bezwang auch den Mephisto Mini 2:0, holte aber gegen die vorne plazierten Geräte deutlich weniger Punkte als Mephisto Mini.
Der "große" Unbekannte in dieser Gruppe war der LCD Keychain Chess von Excalibur. Ob man allerdings bei den winzigen Abmessungen von etwa 7x5x2 cm von "groß" reden kann...
Der LCD Keychain Chess ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack und mit seinen Miniaturmaßen wenig geeignet für "weitsichtige Waldarbeiter", der kurzsichtige, feingliedrig veranlagte "Uhrmacher-Typ" kann hingegen mit dem Gerät halbwegs problemlos hantieren. Allerdings sollten gute Lichtverhältnisse herrschen, bei anbrechender Dämmerung kann man auf dem winzigen LCD-Brett des Keychain Chess nicht mehr viel erkennen.
Es ist schon erstaunlich, daß man es geschafft hat neben dem LCD-Schachbrett noch Platz für 15 eng nebeneinander liegende Knöpfe bereitzustellen, auch das Schachprogramm wurde noch irgendwie hineingequetscht...
Dieses verbraucht auf seiner höchsten Stufe (8) lediglich maximal 20 Sekunden, ein kleiner Nachteil im Aktivschach, für ernsthaftes Turnierschach leider unbrauchbar. Dennoch belegte der LCD Keychain Chess einen soliden Mittelfeldplatz, wobei sich einige feine taktische Züge mit unverständlichen Patzern abwechselten. Wo viel Licht...da viel Schatten - insgesamt aber eine "winzige" Bereicherung der Schachcomputerszene.
Klar abgeschlagen landeten Presto, Topaz, Teufelchen und SciSys Pocket Chess auf den letzten Plätzen. Die Reihenfolge hätte leicht auch anders aussehen können, die Abstände waren hier nur sehr gering - manchmal war es reine Glückssache, welcher "Bock" die Partie nun endgültig entschied.
Und dennoch - fast wäre es zum Zwergenaufstand gekommen. Wie weiland schon in U1400 Blue der Gruppenletzte Graduate Chess gegen den souveränen Gruppensieger Sensor XL glatt auf Gewinn stand und dann doch seine Chance ungenutzt verstreichen ließ
Turnier: Unter 1400 ELO Turnier - Seite 6 - Schachcomputer.info Community
- so bäumte sich auch hier in Gruppe I der abgeschlagene Letzte SciSys Pocket Chess gegen den Gruppenprimus Cosmic auf:
Cosmic(L66) - SciSys Pocket Chess(L8/30s)
1. ...Ta1!!
3r3k/2p2Q1p/5p2/p3q1p1/8/2PbPBR1/r4P1P/2R1K3 b - - 0 1
Scisys Pocket Chess hatte Cosmic total im Schwitzkasten und hätte mit 1. ...Ta1!! zwingend mattsetzen können, es gab dann kein Entrinnen mehr.
1. ...Ta1!! 2. Ta1: (2. Kd1 Tc1:+ 3. Kc1: Dc3:+ 4. Kd1 Dc2+ 5. Ke1 Dc1+ 6. Ldd1 Dc3#) Dc3:+ 3. Kd1 Da1:+ 4. Kd2 Le4+ 5. Dd5 Td5:+ 6. Ke2 Dd1#
Aber ach, dem Letzten schwanden die Kräfte und in 8 Zügen ward er selber matt !!
Auch gegen den Zweitplazierten ChessMan Pro begehrte das Schlusslicht auf:
Lexibook Chessman Pro(A8) - SciSys Pocket Chess(L8/30s)
1. ...Dd4:
1. ...Th8??
1k1r4/ppp5/1b2Q3/nP2P3/3P4/2qB4/P3KP2/6R1 w - - 0 1
Wenn man in obiger Stellung weiß, daß es nur noch 3 Züge bis zum Matt dauert, so würde doch jeder darauf tippen, daß Schwarz matt setzt, aber nein - SciSys Pocket Chess vergurkt auch diese Gewinnstellung.
Nach dem einfachen, aber kräftigen 1. ...Dd4: steht Schwarz haushoch auf Gewinn, nicht nur der Mehrbesitz von Springer gegen Bauer, sondern vor allem die unsichere weiße Königsstellung garantiert den Sieg, normalerweise: 1. ...Dd4: 2. Df5 worauf 2. ...Db2+ oder auch 2. ...Sc4 gut sind.
Statt des einfachen Schlagens wartete SciSys Pocket Chess mit dem katastrophalen Fehlzug 1. ...Th8?? auf, was sofort mit Matt bestraft wurde: 1. ...Th8?? 2. Tg8+ Tg8: 3. Dg8:#
Jetzt wird auch klar, warum SciSys Pocket Chess die rote Laterne bekam - andererseits ist es schon erwähnenswert, daß SciSys Pocket Chess es geschafft hat, sich solche Gewinnstellungen gegen die Spitzenprogramme zu erarbeiten.
Gerade solche Partien machen das U 1400-Turnier so spannend - schaffen die "Elo-Schlümpfe" eine Überraschung oder gehen sie gnadenlos ein ?
Presto(L4) - SciSys Pocket Chess(L8/30s)
4r1k1/5p1p/6p1/3Pq3/1RQ5/8/P4PPP/1R4K1 w - - 0 1
Wie in der Diagrammstellung ersichtlich hatte Presto den SciSys Pocket Chess klar überspielt und sollte die Partie mit Turm und 2 Bauern mehr locker gewinnen. Aber bei den "Elo-Schlümpfen" reicht ein solcher Vorteil nicht immer aus und man muß bis zum Matt spielen. Ein umsichtiger Mensch hätte sich mit 1. h3 ein Luftloch geschaffen und die Partie nach Hause geschaukelt.
Presto erkannte die Grundreihenschwäche nicht und zog stattdessen verhängnisvoll 1. Dc5??, dies erlaubte SciSys Pocket Chess den Partieverlauf auf den Kopf zu stellen mittels Damenopfer nebst Matt in 2: 1. ...De1+!! 2. Te1: Te1:# !! Doch auch SciSys Pocket Chess patzte 1. ...g5?? Dieses Spielchen wiederholte sich im nächsten Zug: 2. a3?? (der falsche Randbauer!), und auch SciSys Pocket Chess fand den Gewinnzug nicht 2. ...h6?? Der letzte Fehler...verliert !
Endlich erfolgte 3. h3! womit die Gefahr gebannt war, 20 Züge später erfolgte das Matt dann auf der "richtigen" Seite.
Die folgende Stellung im Kampf der Elo-Schlümpfe ist dazu gedacht, erst mal selber zu knobeln:
Super Sensor IV(L4) - SciSys Pocket Chess(L8/30s)
8/3Bkp2/p3p2B/4P3/P1q5/5p2/5PPP/4R1K1 w - - 0 1
Weiß steht auf Gewinn, aber wie hält er den Vorteil am besten fest ?
Ganz sicher nicht mit dem naheliegenden 1. Td1 ??, das vom Super Sensor IV gespielt wurde, denn nach 1. ...Dg4! steht plötzlich Schwarz klar auf Gewinn, denn 2. g3?? scheitert wegen Matts 2. ...Dh3!! 3. Lg5+ Kf8 4. Lh6+ Kg8 (4. ...Dh6:? 5. h4!) 5. Lc6 Dg2# Auch das bessere 2. Lg5+ sieht Schwarz als Sieger 2. ...Kf8! (2. ...Dg5:? 3. g3) 3. Lh6+ Kg8 4. Kf1 (4. g3?? Dh3!) fg+ 5. Kg1 Dd1:+
Aber mit 1. Lg5+! stellt Weiß die Weichen auf Sieg: 1. ...Kd7:? 2. Td1+ Kc6 3. Tc1! +- (2. ...Ke8?? 3. Td8#), also 1. ...f6 2. ef+ Kd7: 3. Td1+ Ke8 4. Td8+! Kf7 (Kd8: 5. f7+) 5. Td7+ Kg6 6. Tg7+ Kh5 7. gf und Weiß sollte die Partie für sich entscheiden.
In der Partie verpasste mal wieder der SciSys Pocket Chess eine sehr günstige Gelegenheit und setzte nach 1. Td1 schwach fort mit 1. ...fg? (statt 1. ...Dg4!). Nach beiderseitigen weiteren Fehlern setzte Weiß schließlich 15 Züge später matt.
Hier eine interessante Kurzpartie aus der Gruppe I:
Topaz(A7)-Super Sensor IV(L4)
1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sf3 Lb4+ 4. Sc3 Lxc3+ 5. bxc3 Sf6 6. e3 O-O 7. Db3 Se4 8. a3 Sc6 9. Se5 Sxe5 10. dxe5 Dh4 11. cxd5? Dxf2+ 12. Kd1 Td8 13. c4? a5?
Warum bloß dieser nutzlose Randbauernzug 13. ...a5 ?? Mit dem natürlichen Schlagzug 13. ...ed!! kann Schwarz schon einen entscheidenden Mattangriff einleiten ! (13... exd5!! 14. cxd5 Txd5+ 15. Dxd5 (15. Ld3 Lg4#) Sc3#) 14. Dd3? exd5 15. cxd5?? s. Diagramm (besser 15. Le2)
Topaz(A7) - Super Sensor IV(L4)
r1br2k1/1pp2ppp/8/p2PP3/4n3/P2QP3/5qPP/R1BK1B1R b - - 0 1
15. ...Lg4+!! Mittels Springeropfer Sc3+!! hätte Schwarz noch schneller mattsetzen können, aber auch nach Lg4+ kann Weiß das Matt nicht mehr verhindern. (15... Sc3+!! 16. Dxc3 Lg4+ 17. Le2 Dxe2#) 16. Le2 Txd5!! 17. Dxd5 (17. Ld2 Txd3 18. Kc1 Dxe2) Dxe2# 0-1
Da ist dem "Elo-Schlumpf" ein schöner Angriffssieg gelungen, auf den mancher Mensch stolz wäre.
Mal sehen was die nächsten Gruppen so bringen...
Viele Grüße von
Nick und Hans-Jürgen
P.S. Nick hat einige nette Graphiken und Statistiken vorbereitet, aber ich weiß im Moment leider nicht wie ich diese gif-Dateien direkt in meinen Bericht einsetzen kann.
P.P.S. Mal sehen, ob es nun klappt....Dank an Micha und Nick !