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-   -   Test: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen (https://www.schachcomputer.info/forum/showthread.php?t=5100)

Solwac 08.03.2017 13:56

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von applechess (Beitrag 64958)
Da habe ich mich auch immer wieder gewundert und vertrete ebenfalls die Meinung in Bezug auf die realitätsfremenden Computer-Wertungen. Ist es nicht taktisch, dann sehen wir auch am Beispiel des ChessGenius Pro (mit 2200 Elo !!), dass oftmals genug Züge produziert werden, für die sich ein 1800 Elo-Mensch schämen müsste.

Und dennoch reicht es, um insgesamt eine Leistung von 2200 abzugeben. Auch Menschen machen grobe Fehler, aber halt andere.

Ich halte es nicht für sinnvoll, den Stil von Computern gegen den von Menschen zu stellen. Die Erfahrung, viele Spiele gegen den Computer schwächen im Kampf gegen andere Menschen, muss man entsprechend werten. Die Einstellung eines Spielers auf den Gegner ist für den Menschen wichtig, hilft aber gegen andere Gegner eher nicht.

Für wird die Elozahl eines Schachprogramms oberhalb von 2700 unrealistisch. Und zwar nicht in dem Sinne, die Computer wären nicht so stark, sondern eher so, dass es keine realistischen Vergleichszahlen gibt. Würde ein Programm mit Elo >3000 tatsächlich mehr als 75% gegen die besten Menschen einfahren? Man weiß es nicht. Und wahrscheinlich werden wir es auch nicht mehr erfahren, dafür ist die Frage zu uninteressant für die Öffentlichkeit. Keiner würden den Profis das Geld zahlen, welches für ein solches Match nötig wäre.

Egbert 08.03.2017 14:30

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von Solwac (Beitrag 64960)
Und dennoch reicht es, um insgesamt eine Leistung von 2200 abzugeben. Auch Menschen machen grobe Fehler, aber halt andere.

...

Für wird die Elozahl eines Schachprogramms oberhalb von 2700 unrealistisch. Und zwar nicht in dem Sinne, die Computer wären nicht so stark, sondern eher so, dass es keine realistischen Vergleichszahlen gibt. Würde ein Programm mit Elo >3000 tatsächlich mehr als 75% gegen die besten Menschen einfahren? Man weiß es nicht. Und wahrscheinlich werden wir es auch nicht mehr erfahren, dafür ist die Frage zu uninteressant für die Öffentlichkeit. Keiner würden den Profis das Geld zahlen, welches für ein solches Match nötig wäre.

Hallo Solwac,

bereits 2003 konnte Deep Junior gegen Kasparow in New York ein 3.3 erzielen.

Im Jahr 2005 trat der Großmeister Michael Adams (im Juli 2005 die Nummer 7 der Schachweltrangliste) ein Match gegen den Computer Hydra an. Die Rechenleistung des Programms betrug ca. 200 Millionen Stellungen in der Sekunde. Der Rechner entschied das Match mit fünf Siegen und einem Remis klar für sich.

2006 verlor Kramnik mit 2:4 gegen Deep Fritz

Rybka gewann diverse Bauernvorgabe-Partien gegen starke Großmeister.

Sämtliche Partien wurden unter Turnier-Bedenkzeit ausgetragen. Diese Ereignisse liegen 10 und mehr Jahre zurück. Die Steigerung der Spielstärke der Spitzenprogramme seit diesem Zeitraum bis heute ist dramatisch. Komodo, Stockfish, Houdini und weitere Schachprogramme übertreffen die damaligen Spitzenprogramme um Klassen!

Aus meiner Sicht kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Die besten Schachspieler dieser Welt sind den besten Schachprogrammen auf aktueller Hardware in einem Wettkampf hoffnungslos unterlegen, auch wenn das ein oder andere Remis durchaus möglich ist.

Gruß
Egbert

Solwac 08.03.2017 14:45

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
Die Wettkämpfe vor 10 Jahren sind leider kein guter Gradmesser für wirklich ausgefochtene Partien. Seit Kasparov 1996 und 1997 wissen wir, dass Menschen gegen Computer drei Problemen gegenüber stehen:
  • Als erstes natürlich das reine Schach, also über einige Partien hinweg immer wieder einen starken Zug zu spielen.
  • Der Kampf gegen einen psychologisch unbeirrten Gegner. Computer ermüden nicht, der Mensch muss aber schon kleine Ungenauigkeiten vermeiden. Zudem ist das Wissen um die taktische Stärke der Computer zusätzlich anstrengend für den Menschen.
  • Da Computer praktisch nicht auf Menschen treffen, ist ein Programm entweder im Hinterstübchen auskochbar oder praktisch unbekannt. Während die Betreuer des Computers vergleichsweise leicht eine Bibliothek gegen den Menschen erstellen können, ist für den Mensch eine gezielte Vorbereitung praktisch unmöglich.
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Zitat von Egbert (Beitrag 64962)
Sämtliche Partien wurden unter Turnier-Bedenkzeit ausgetragen. Diese Ereignisse liegen 10 und mehr Jahre zurück. Die Steigerung der Spielstärke der Spitzenprogramme seit diesem Zeitraum bis heute ist dramatisch. Komodo, Stockfish, Houdini und weitere Schachprogramme übertreffen die damaligen Spitzenprogramme um Klassen!

Ja, die Programme sind deutlich besser als früher. Aber um wie viel? Das ist das Problem. Wir wissen, dass Selbstspiel Unterschiede überzeichnet.

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Zitat von Egbert (Beitrag 64962)
Aus meiner Sicht kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Die besten Schachspieler dieser Welt sind den besten Schachprogrammen auf aktueller Hardware in einem Wettkampf hoffnungslos unterlegen, auch wenn das ein oder andere Remis durchaus möglich ist.

Aber das ist ja (wie bei Partien zwischen Schachprogrammen auch) genau das Problem: Gewinnt der Sieger mit 75%, mit 80% oder 85%? Für die Elozahl macht das einen immer größeren Unterschied.

Die Anforderungen an ein aussagekräftiges Match sind hoch, genau wie die Kosten. Deshalb sehe ich in der Zukunft keine Chance auf ein solches Experiment. Die Reaktion Kasparovs vor 20 nach seiner Niederlage hat hier eine Tür zugeschlagen, die seither immer nur mal wieder einen Spalt aufging. :(

Egbert 08.03.2017 14:52

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von Solwac (Beitrag 64963)

...

Aber das ist ja (wie bei Partien zwischen Schachprogrammen auch) genau das Problem: Gewinnt der Sieger mit 75%, mit 80% oder 85%? Für die Elozahl macht das einen immer größeren Unterschied.

Die Anforderungen an ein aussagekräftiges Match sind hoch, genau wie die Kosten. Deshalb sehe ich in der Zukunft keine Chance auf ein solches Experiment. Die Reaktion Kasparovs vor 20 nach seiner Niederlage hat hier eine Tür zugeschlagen, die seither immer nur mal wieder einen Spalt aufging. :(

Das ist das wirklich bedauernswerte in diesem Zusammenhang Solwac. Ich glaube nicht dass ein Weltklassespieler so "motiviert" werden kann, dass er eine solche gigantische Herausforderung annehmen wird. Welcher Sponsor sollte ein besonderes Interesse an so eine Auseinandersetzung haben. Ich persönlich wäre begeistert, wenn es dennoch eines Tages passiert. ;)

Gruß
Egbert

Wolfgang2 08.03.2017 17:31

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von Chessguru (Beitrag 64959)
... „Leider“ hast du nie in einem Schachklub gespielt bzw. an Vereinsturnieren oder Mannschaftswettkämpfen teilgenommen. In diesen Partien zählt nur der eine, nicht wiederholbare Moment. Der Druck, der dann auf einem lastet, ist nicht ansatzweise vergleichbar mit Partien, die man entspannt zu Hause spielt. Fehler, die in eigenen Partien gespielt oder Möglichkeiten die übersehen wurden, sind dann in der Analyse teilweise schwer verständlich.

Das glaube ich sofort. Der "Mannschaftsdruck" kommt dann noch dazu. Wenn man am achten Brett dann gewinnen muss... Analoges kenne ich vom "Mannschaftssport" Tischtennis.
Bis ich 1984/85 zweimal an der Schach-Schulmeisterschaft teilnahm, hatte ich noch nie gegen einen Vereinsspieler gespielt. (Mein einziger Gegner war Mephisto II.) Das war für mich äußerst anstrengend. Da waren Vereinsspieler dabei. Am Ende teilte ich in beiden Turnieren den ersten Platz mit dem Mittelfränkischen B-Jugend Meister. Jeweils nach acht Runden Schweizer System bei 40/2h. Natürlich hatte ich den Vorteil, dass mich niemand kannte.
Und interessanterweise haben mir später (Studium/Wehrdienst) mindestens fünf Vereinsspieler davon abgeraten, in einen Schachclub zu gehen. Wegen des Drucks!
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Zitat von Chessguru (Beitrag 64959)
Hinzu kommt natürlich dein Wissen über den Stil eines Gerätes. Du kennst ganz genau die Stärken und Schwächen des betreffenden Gerätes. Darauf richtest du dein Spiel aus. Aber wie wäre deine Spielanlage, wenn du gegen einen Unbekannten bzw. unbekanntes Gerät spielen würdest?

Meine Art (Schongang-Partien) sind eigentlich Gegner-unabhängig von der Art her gleich. Ich schaue, dass es nicht zu unübersichtlich wird und der Gegner keinen Anhaltspunkt bekommt, Druck zu machen.
Wenn ich gegen einen unbekannten Gegner spiele, würde ich immer so ran gehen. Wenn's dumm läuft, dann ist dieser unbekannte Gegner ein schwächerer Spieler gegen den ich dann "nur" ein Remis schaffe. Dann ist das halt so.
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Zitat von Chessguru (Beitrag 64959)
Und zum guten Schluss, eine Partie teilt sich bekanntlich in verschiedene Phasen auf. Somit muss ich den Blick bei einem Schachcomputer auch auf die Stärken werfen und nicht nur die Schwächen beurteilen. Natürlich begehen Schachcomputer Fehler, Menschen aber auch.

Keine Frage, sehe ich auch so.

Gruß
Wolfgang

Supergrobi 08.03.2017 19:00

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von Egbert (Beitrag 64964)
Das ist das wirklich bedauernswerte in diesem Zusammenhang Solwac. Ich glaube nicht dass ein Weltklassespieler so "motiviert" werden kann, dass er eine solche gigantische Herausforderung annehmen wird. Welcher Sponsor sollte ein besonderes Interesse an so eine Auseinandersetzung haben. Ich persönlich wäre begeistert, wenn es dennoch eines Tages passiert. ;)

Gruß
Egbert

Hallo Leute,

es gibt schon noch Matches. Die werden aber nun mit Vorgabe gespielt (Qualität, Bauer+Tempo), damit der Mensch überhaupt noch eine Chance hat - und so kommt auch ein wenig Spannung auf. S. z.B. https://www.chess.com/news/view/komo...al-battle-1331

Eine Liste von Komodo-Vorgabematches findet sich auch hier.

Viele Grüße,
Dirk

Egbert 08.03.2017 19:20

AW: Ueberlegungen ueber ELO Wertungen
 
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Zitat von Supergrobi (Beitrag 64969)
Hallo Leute,

es gibt schon noch Matches. Die werden aber nun mit Vorgabe gespielt (Qualität, Bauer+Tempo), damit der Mensch überhaupt noch eine Chance hat - und so kommt auch ein wenig Spannung auf. S. z.B. https://www.chess.com/news/view/komo...al-battle-1331

Eine Liste von Komodo-Vorgabematches findet sich auch hier.

Viele Grüße,
Dirk

Prima Dirk, vielen Dank. Sehr interessantes Material. ;)

Gruß
Egbert


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