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  #1  
Alt 26.06.2011, 13:40
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Paisano Paisano ist offline
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Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

Hallo,

Ich beschäftige mich im Moment mit einigen Versuchen, die „Tuningempfänglichkeit“ von verschiedenen Schachcomputern heraus zu finden.

Ausgangspunkt waren die Fragen, warum reagiert z. B. ein MM IV so stark auf eine Geschwindigkeitserhöhung und was ist möglicherweise von einem Atlanta 32 MHz zu erwarten.

Meine Überlegungen im Vorfeld stützten sich auf die Tatsache, dass bei reinem Hardwaretuning nur die Rechengeschwindigkeit erhöht und dadurch eine größere Rechentiefe erreicht
wird, welche sich wiederum in einem Elo-Zuwachs niederschlägt.

Es gibt einen Artikel, ich meine, es wäre Ken Thompson gewesen, bin mir da aber nicht absolut sicher, leider habe ich ihn trotz intensiver
Suche nicht mehr ausfindig machen können, vielleicht weiß ja jemand, wo das veröffentlicht wurde.

Der gesagte Artikel beschreibt, dass K. Thompson mit seinem Rechner Belle Tests durchgeführt hat, indem er verschiedene Versionen von Belle im Autoplay gegen-
einander spielen liess. Die Versionen unterschieden sich jeweils nur in der Rechentiefe, es spielten also Versionen mit einer maximalen Rechentiefe von 4, 5, 6, 7, 8 und 9
Halbzügen gegeneinander (können auch mehr oder weniger gewesen sein, wie gesagt, ich finde den Artikel nicht mehr).

Logischerweise schnitt die Version mit der höchsten Rechentiefe am Besten ab, aber die eigentliche Erkenntnis bestand darin, dass nach Auswertung der Ergebnisse
berechnet werden konnte, wie groß der Elo-Zuwachs mit jedem zusätzlichen Halbzug Rechentiefe war. Ebenso stellte Thompson fest, dass der Elo-Zuwachs mit zunehmender
Rechentiefe immer geringer wurde, eine Steigerung von durchschnittlich 7 auf 8 Halbzüge bringt also erheblich mehr als von 12 auf 13 Halbzüge.

Soweit, so gut… mein ursprünglicher Gedanke, warum manche Programme besser auf Tuning ansprechen als andere, war, dass eventuell manche Programme durch die Erhöhung
der Geschwindigkeit nicht nur einen, sondern möglicherweise hin und wieder sogar zwei Halbzüge tiefer rechnen.

Um das irgendwie praktisch zu überprüfen, habe ich schlichtweg bei diversen Programmen die Zeiten festgehalten, die jeweils bis zum Durchrechnen des nächst höheren
Halbzuges benötigt werden, normal ist hier der Faktor 5, also es ist entweder die 5-fache Geschwindigkeit oder die 5-fache Zeit für einen weiteren Halbzug erforderlich,
meine Theorie war jetzt, wenn ein Programm hier auf einen durchschnittlichen Faktor von etwas 2,5 kommt, müsste es eigentlich stärker vom Tuning profitieren.

Nachstehende Stellung aus der Partie Capablanca - Dus Chotimirski (Petersburg 1913) habe ich für den ersten Versuch ausgewählt, Weiss ist am Zug.


In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen Programme mit ihren Zeiten (Angaben in Sekunden) sowie dem errechneten Faktor aufgelistet.
So richtig schlau werde ich aber nicht daraus, ausgerechnet der MM IV benötigt die meiste Zeit von Halbzug zu Halbzug und er profitiert
erwiesenermaßen sehr stark vom Tuning, mit dem 10. Halbzug bricht er regelrecht ein…, meine Theorie, je niedriger der Faktor, desto besser für's Tuning geeignet,
trifft nicht zu, mal vorausgesetzt, daß sich das überhaupt mit meinem Experiment nachweisen lässt.

HalbzugMiamiFaktorExplorer ProFaktorMagellanFaktorNigel ShortFaktorMM VFaktorMM IVFaktorSuper Forte BFaktor
4320141635
5237,6614722654,64523,25124,00204,00
6472,04322,2831,51993,062484,76514,25884,40
71463,101334,151557503,767573,052144,194364,95
85884,026715,04493,2616672,2233604,438193,8214393,30
916722,8424003,571432,9173204,39159704,7531383,83105457,32
1076914,5970802,954182,92263403,59705004,416660021,22398813,78
Durchschnitt-4,042-4,165-2,932-3,610-4,108-8,262-4,625


Ich werde noch eine weitere Stellung mit vollem Brett zu Rate ziehen und abschliessend noch eine Endspielstellung mit wenig Figuren,
mal sehen, ob danach mehr Rückschlüsse bzw. eindeutigere Erkenntnisse möglich sind.

Aber vielleicht hat ja schon jetzt jemand eine Idee dazu oder zeigt mir einen möglichen Denkfehler auf…

Viele Grüße und schönen Sonntag
Uwe
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Der nächste Satz ist eine Lüge. Der vorhergehende Satz ist wahr.
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  #2  
Alt 26.06.2011, 15:20
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

Hallo Uwe,

sehr interessante Idee bzw. Ansatz. Es bleibt aber die Frage, was stellt diese Tabelle dar?

Nichts anderes als die zeitlichen Auflistung, der erreichten Suchtiefen. Aber was sagt das über die Spielstärke bzw. Tuning-Tauglichkeit aus?

Führen wir uns das Suchverhalten eines Schachprogramms kurz vor Augen. Der Anfangszustand der zu analysierenden Stellung ist die Wurzel des Suchbaums. Von dieser Wurzel gehen bekanntlich Äste aus, die zu weiteren Knoten führen, von denen wieder Äste weiterführen. Dieser nun entstehende und immer weiter wachsende Suchbaum stellt das Programm vor die Frage, in welche Richtung sollte ich suchen, welchen Zug soll ich auswählen bzw. weiter verfolgen? Einfach gesagt, Suchbreite und Suchtiefe. Die Suchtiefe gibt z.B. an, wie viele Halbzüge man benötigt, um einen Knoten von der Wurzel aus zu erreichen. Die Suchbreite ist ein Maß dafür, ob man alle Zugfolgen oder nur ein Teil davon in den Suchvorgang mit einbeziehen möchte.

Das große bekannte Problem für die Stärke eines Schachprogramms besteht somit im Weiterverfolgen eines geeigneten Astes des Suchbaums, da die Hardware Ressourcen bekanntlich bei unseren Schachcomputer begrenzt sind und ein komplettes Durchsuchen unmöglich ist. Mögliche Endspieldatenbank lassen wir jetzt mal außen vor.

Welchen Weg sollte ein Programm wählen? Bekanntlich wählen Morsch-Kreaturen den schmalen und tiefen Weg in das Geäst des Baums, d.h. man schränkt die Suchbreite ein. Der bekannte Glasgow wählte einen völlig anderen Weg, die Einschränkung der Suche in die Tiefe. Der Spielbaum wurde nicht bis zu jedem Ende der Knoten vervollständigt, sondern die Tiefe und damit die Länge der Zugfolge wird begrenzt. Wie die Entwicklung gezeigt hat, ist der bessere Weg, die schnelle schmale Suche in die Tiefe.

Somit bringt uns aus meiner Sicht die Auflistung der Suchtiefen der einzelnen Programme zwar einen interessanten Einblick in das Suchverhalten, aber es sagt nichts aus, mit welchen Strategien vorgegangen wird bzw. wann, wie und wo der Suchbaum auf welche Art beschnitten wurde. Hinzu kommen weitere elementare Regeln, die jeder Anfänger kennt. Zentrum besetzen, Leichtfiguren schnell entwickeln, König in Sicherheit bringen (Rochade), Schwerfiguren auf offene und halboffene Linien bringen, Stellung des Königs in Endspielen, Initiative oder sogar psychologische Faktoren. Frei nach Lasker, der unangenehmste Zug für den Gegner, ist zugleich auch der stärkste Zug.

Es bleibt die abschließende Frage, wie soll so ein armes Programm nun all diesen Datenwust bewältigen? Da ich kein guter Programmierer bin, kann ich es nicht beantworten. Auch weiß ich nicht, wie man auf einfache Art die Tuning-Tauglichkeit von Programmen testen kann, außer natürlich indem man Partien spielt.

Um die Frage noch ein wenig schwerer zu machen, ein paar weitere Beispiele. Sowohl Novag SEC als auch Diablo scheinen von der Geschwindigkeitserhöhung im Revelation kaum zu profitieren. Hingegen wird das Spiel des SEB im Revelation deutlich solider und stärker. Bekanntlich wurde bei der C-Version an den selektiven Berechnungen gefeilt, zu Ungunsten der taktischen Schlagkraft, Thorsten hat das mal in der CSS sehr schön erläutert. Für die damalige 6 MHz Kiste brachte das eine bessere positionelle Stellungsbewertung, aber für spätere Tuninggeschichten scheint es negative Auswirkungen zu haben, da der Suchbaum anscheinend nicht entsprechend schnell in die Tiefe geht. Einige taktische Einschläge werden weder von der 6 noch von der 25 MHz Version gesehen. Ähnliches Verhalten zeigt sich beim Nachfolger Diablo 68000.

Ein hoch interessantes Thema, aber für uns schwer zu untersuchen. Was uns aber nicht daran hindern sollte, es weiter zu untersuchen.

All das Geschriebene brauche ich dir natürlich nicht zu erzählen, da du dich seit Jahren mit der Computerschachthematik beschäftigst. Es sollte nur ein ganz allgemeiner Abriss sein, um die Problematik für "Außenstehende" ein wenig zu erläutern.

Gruß,
Micha

Geändert von Chessguru (26.06.2011 um 15:25 Uhr)
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  #3  
Alt 26.06.2011, 15:27
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

 Zitat von Paisano Beitrag anzeigen
(...)
Es gibt einen Artikel, ich meine, es wäre Ken Thompson gewesen, bin mir da aber nicht absolut sicher, leider habe ich ihn trotz intensiver
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Der gesagte Artikel beschreibt, dass K. Thompson mit seinem Rechner Belle Tests durchgeführt hat, indem er verschiedene Versionen von Belle im Autoplay gegen-
einander spielen liess. Die Versionen unterschieden sich jeweils nur in der Rechentiefe, es spielten also Versionen mit einer maximalen Rechentiefe von 4, 5, 6, 7, 8 und 9
Halbzügen gegeneinander (können auch mehr oder weniger gewesen sein, wie gesagt, ich finde den Artikel nicht mehr).

Logischerweise schnitt die Version mit der höchsten Rechentiefe am Besten ab, aber die eigentliche Erkenntnis bestand darin, dass nach Auswertung der Ergebnisse
berechnet werden konnte, wie groß der Elo-Zuwachs mit jedem zusätzlichen Halbzug Rechentiefe war. Ebenso stellte Thompson fest, dass der Elo-Zuwachs mit zunehmender
Rechentiefe immer geringer wurde, eine Steigerung von durchschnittlich 7 auf 8 Halbzüge bringt also erheblich mehr als von 12 auf 13 Halbzüge.
(...)
Dieter Steinwender, Frederic Friedel: Schach am PC, Verlag Markt &Technik, Haar bei München, 1995, S.248 ff.

3HZ: 1101 Elo
4HZ: 1235 Elo (+134)
5HZ: 1570 Elo (+235)
6HZ: 1826 Elo (+256)
7HZ: 2031 Elo (+205)
8HZ: 2208 Elo (+167) (ungefähre turnierstärke der BELLE)
9HZ: 2328 Elo (+120)
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  #4  
Alt 26.06.2011, 18:45
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

 Zitat von Wandersleben Beitrag anzeigen
Dieter Steinwender, Frederic Friedel: Schach am PC, Verlag Markt &Technik, Haar bei München, 1995, S.248 ff.

3HZ: 1101 Elo
4HZ: 1235 Elo (+134)
5HZ: 1570 Elo (+235)
6HZ: 1826 Elo (+256)
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8HZ: 2208 Elo (+167) (ungefähre turnierstärke der BELLE)
9HZ: 2328 Elo (+120)
Ich denke mal, diesen Werten fehlt es wohl einfach an der nötigen Datenbasis (Horst als "CSS-Forum-Gestählter" wird mir da evtl. zustimmen (@Horst: warst du nicht früher sogar Mathematiklehrer?); denn dass die Steigerung von 3 auf 4 HZ nur 134, aber z. B. von 5 auf 6 HZ 256 ELO betragen haben soll, ist für mich nicht einsehbar. Ab dem 6. HZ scheint es ja wieder zu passen, aber was da bei den niedrigeren Suchtiefen geschehen sein soll, kommt mir schon sehr merkwürdig vor...

Gab es den Autoplayer232 (mit dem man 2 PCs per seriellem Kabel miteinander verbinden und gegeneinander spielen lassen konnte) 1995 schon? Ich glaube eher nicht; ich kann mich erinnern, dass ich zwischen 1997 und 2000 damit experimentiert habe. Denn ohne die damit mögliche automatische Erzeugung von Beispielpartien ist es wohl kaum möglich, die für eine einigermaßen gesicherte Datenbasis nötige Partienzahl zu bekommen...


viele Grüße,
Robert
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  #5  
Alt 26.06.2011, 19:24
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

Hallo Robert!

 Zitat von Robert Beitrag anzeigen
Ich denke mal, diesen Werten fehlt es wohl einfach an der nötigen Datenbasis (Horst als "CSS-Forum-Gestählter" wird mir da evtl. zustimmen (@Horst: warst du nicht früher sogar Mathematiklehrer?); denn dass die Steigerung von 3 auf 4 HZ nur 134, aber z. B. von 5 auf 6 HZ 256 ELO betragen haben soll, ist für mich nicht einsehbar. Ab dem 6. HZ scheint es ja wieder zu passen, aber was da bei den niedrigeren Suchtiefen geschehen sein soll, kommt mir schon sehr merkwürdig vor...
(...)
In diesem datensatz fehlt der faktor zeit vollkommen. Ich habe noch einmal den zugehörigen text genauer studiert. Auch dort fehlt jede angabe, mit welchem zeitverbrauch BELLE die einzelnen halbzüge abgearbeitet hat.
Einen wichtigen aspekt möchte ich zusätzlich zitieren:
"Wie man sieht, ist das eine recht harmonische Kurve, die aber in der Extrapolation verschiedene Interpretationen zuläßt. Thompson, ein lupenreiner Wissenschaftler, hat sich selber nie an der Diskussion beteiligt. Für ihn gab es zu viele Ungenauigkeiten im Datenbestand: Der Sample ist sehr klein, die zu erwartende Zufallsstreuung zu groß, die Eigentümlichkeit, daß eine Maschine gegen sich selber spielt, unkalkulierbar. Das alles hielt seine peniblen Kollegen nicht davon ab, sehr heftig über die Konsequenzen zu spekulieren. (S.249)"

ps.
Es handelte sich um 420 partien, jeweils 20 jeder gegen jeden.

 Zitat von Robert Beitrag anzeigen
(...) Gab es den Autoplayer232 (mit dem man 2 PCs per seriellem Kabel miteinander verbinden und gegeneinander spielen lassen konnte) 1995 schon? Ich glaube eher nicht; (...)
Chrilly Donninger hat den Autoplayer ende 1994 programmiert:
http://www.scleinzell.schachvereine....toplayer.shtml

Viele grüße
Horst

Geändert von Wandersleben (26.06.2011 um 19:28 Uhr) Grund: Partienanzahl ergänzt
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  #6  
Alt 26.06.2011, 20:49
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

Hallo Uwe,
wie ich an anderer Stelle schon mal schrieb und wie Micha auch schon angedeutet hat, ist es nur schwer zu sagen, wie sich Tuning auf welches Programm auswirkt.

Es gab früher (vor ca. 25 Jahren) zwei Grundsätze:

1. Eine Verdopplung der Rechengeschwindigkeit bringt ca. 70 Elo Punkte.

2. Ein zusätzlicher Halbzug (bei Brute Force Programmen) bringt ca. 200 Elo Punkte.



Zu Punkt 1: Diese Faustformel wurde schnell relativiert und man sprach von 50 bis 70 Elo Punkten bei einer Verdoppelung der Geschwindigkeit. Bei vielen Programmen traf das in den 80ern auch zu. Natürlich dachte man schnell darüber nach, was eine Steigerung um den Faktor 1.000 oder mehr bringen würde ...

In der Zwischenzeit hat sich gezeigt, daß die Faustformel nicht allgemeingültig ist, bzw. sich die Steigerung nicht beliebig fortsetzen lässt.
Das kann man leicht nachvollziehbar erklären:

Viele Schachprogramme treffen ihre Entscheidungen aufgrund ihres Wissens. Natürlich spielt auch die Suche eine Rolle, aber die einprogrammierten Regeln bestimmen dennoch den Zug! Wenn also ein Programm sich "mit voller Absicht" für den falschen Zug entscheidet, so wird es das immer tun, egal, wie tief es rechnet.

Als Beispiel hierfür möchte ich den Mephisto III bzw. Glasgow anführen. Dieses Programm wähle ich, weil es bekannt ist, daß es seine Entscheidungen nach menschlichen Kriterien trifft, langsam ist und dennoch "vernünftig" spielt. Außerdem können wir das Programm auch ideal aus "Tuning Sicht" betrachten, Mess Emu und Revelation sei Dank.

Was stellen wir nun beim Glasgow fest? Die erste große Beschleunigung im Revelation auf 66 MHz (Faktor 6,5) bringt tatsächlich einen Zuwachs an Spielstärke. In diesem Fall 143 Elo Punkte ... es liegt also im Rahmen der Regel. Was passiert nun, wenn man den Revelation als Basis nimmt und die Geschwindigkeit noch einmal um den Faktor 16 steigert? Eigentlich sollte die Elo Zahl dann um weitere 200 Punkte zunehmen ... Das ist jedoch nicht der Fall. Wenn überhaupt, spielt so ein "Turbo Glasgow" maximal 50 Punkte besser. Hier zeigt sich deutlich, daß eine weitere Steigerung der Geschwindigkeit keinen Zuwachs mehr bringt. Der Glasgow spielt die gleichen falschen Züge, nur schneller!


Wenn ein Programm hingegen wenig wissen hat und seine Züge rein aufgrund von schnellen, tiefen Berechnungen findet, kann man in der Theorie davon ausgehen, daß es "länger" dauert, bis der tote Punkt im Tuning erreicht ist ... aber natürlich gilt auch hier: Das Programm bildet aufgrund von Kriterien seine Entscheidung ... und manchmal auch die falschen Entscheidungen ... da hilft dann auch kein Tuning mehr.

Einfache Beispiele hierfür: Wenn ein Programm keine Ahnung vom "Falsche Läufer Spiel" hat, wird es fast immer den falschen Zug spielen ... auf der anderen Seite: Wenn ein Programm die Regel kennt, spielt es immer richtig, dann ist das Tuning ebenfalls meist nutzlos ... außer es kann im Suchbaum zu einer Stellung gelangen, in der ihm das Wissen hilft und diese herbeizwingen.

Dank Mess Emu und Revelation konnte ich mittlerweile viele Programme "getunt" beobachten ... und bis jetzt habe ich keine Regel gefunden, welche Programme mehr profitieren: Die "dummen Rechner" oder die "intelligenten Spieler" ... es gibt in beiden Lagern Beispiele für beide Varianten.

Offenbar ist es so, daß manche Programme schon ziemlich am möglichen Optimum sind, auch ohne Tuning ... und andere Programme durchaus mit besserer Hardware mehr Leistung bringen.


Es gibt eine Ausnahme. Und damit kommen wir zu Punkt 2: Dies gilt für reine Brute Force Brüter, wie die damaligen Weltmeister (Belle und Co) ...
Hier gilt in der Tat: Ein zusätzlicher Halbzug bringt 200 Punkte ... und die Steigerung der Rechengeschwindigkeit um Faktor 5 bringt diesen Halbzug ...

Zumindest gilt das bis zu einer Spielstärkte von ca. 2500 Punkten ... warum nur bis hier?

Die reinen Brute Force Monster sind taktisch in ihrem Bereich und ihrer Rechentiefe nicht zu schlagen ... dennoch können sie nur bis zu einer bestimmten Tiefe rechnen ... einfach weil im BF Suchverfahren die Zugzahl extrem ansteigt. Menschliche Spitzenspieler, die in diesen Regionen spielen, planen in aller Regel sehr langfristig, weit länger, als ein Brüter dies kann. Hier zählt Strategie und Intuition. Spitzenspieler sind in aller Regel in der Lage, ihre Stellung taktisch sicher zu halten. Somit kann ein Computer, der rein auf dieser Basis gerechnet hat, von Meisterspielern bezwungen werden ... die Kiste müsste schon extrem beschleunigt werden, um diesen Effekt zu egalisieren.

Gruß,
Sascha
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  #7  
Alt 26.06.2011, 23:08
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Hallo Micha,
 Zitat von Chessguru Beitrag anzeigen
Hallo Uwe,

sehr interessante Idee bzw. Ansatz. Es bleibt aber die Frage, was stellt diese Tabelle dar?

Nichts anderes als die zeitlichen Auflistung, der erreichten Suchtiefen. Aber was sagt das über die Spielstärke bzw. Tuning-Tauglichkeit aus?
vielleicht habe ich meinen "Grundgedanken" nicht deutlich genug dargestellt, grad weil Du die in der Tabelle gelisteten Suchtiefen und Zeiten ansprichst,
das sind ja nicht die relevanten Daten, die hätte ich auch weglassen können, mit ging es einzig um den Faktor, der sich aus diesen Werten errechnet.

Lass es mich an einem Beispiel verdeutlichen... nehmen wir einfach mal rein hypothetisch an, die in der Tabelle stehenden Faktoren wären korrekt und
behalten gleichzeitig im Hinterkopf die Tatsache, daß ein zuätzlicher Halbzug Rechentiefe für einen von unseren alten Schachcomputern einen Zuwachs an
Spielstärke von X Elo mit sich bringt (wievie ein Halbzug bringt, ist an dieser Stelle jetzt auch egal, diese Frage muss man als separate Frage diskutieren,
Fakt ist aber, dass ein Zuwachs vorhanden ist).

Dann müsste ich einen Magellan "nur" (schmunzel) um ca. 290 %, einen Super Forte B aber um ca. 460 % beschleunigen, um quasi den gleichen Effekt zu erzielen,
nämlich grundsätzlich einen Halbzug mehr zu berechnen wie eine ungetunte Version des gleichen Programms.

Würde man diesen Sachverhalt ohne nähere Betrachtung von anderen Faktoren als gegeben hinnehmen, dann kommt man zwangsläufig zu dem Schluss,
daß es "lohnenswerter" ist, einen Magellan zu beschleunigen als einen Super Forte, oder ?.

Aber ich weiss, ganz so einfach ist das natürlich nicht und wie Du sagtest, ob wir bestimmte Dinge jemals in Erfahrung bringen werden, ist fraglich,
aber wenn's keiner ausprobiert, dann mit Sicherheit nicht !!

Nur noch so am Rande bemerkt, die ganzen technischen Möglichkeiten, bei welchem Gerät was möglich ist und was nicht, habe ich jetzt hier natürlich völlig aussen vor gelassen,
es sind rein theoretische Überlegungen, die ich hier angestellt habe und die vielleicht den einen oder anderen Rückschluss ermöglichen.

Viele Grüße
Uwe

@Sascha Ich komme später auf Deine Ausführungen zurück, dafür reicht heut die Zeit nicht mehr
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  #8  
Alt 26.06.2011, 23:25
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

Hallo Uwe,
um Dein Beispiel zu nehmen: Computer A muss um 290% beschleunigt werden, um die Brute Force Basis um einen Halbzug zu erhöhen und Computer B um 400% ....

Aber: Dennoch würde die Spielstärke vermutlich nicht im gleichen Maß ansteigen, auch wenn in der Theorie ein zusätzlicher HZ 200 Elo Punkte bringen sollte.

Die Theorie stimmt nur bei reinen Brute Force Rechnern ... da aber nahezu jeder Computer selektive Teile hat, sind die Auswirkungen unterschiedlich ....

Auch hier gibt es sehr viele Variablen:

1. Nicht jeder Computer erhöht die BF und die selektive Suchtiefe im gleichen Maß. Und auch nicht fortlaufend. So kann es sein, daß Computer A 4 HZ Brute Force rechnet und 10 HZ selektiv .... wenn er aber HZ 5 berechnet, geht er vielleicht selektiv bis 15 Halbzüge tief ... während Computer B vielleicht immer fix 3, 4 oder 5 Züge auf den BF Sockel aufsattelt ...
Man kann also gar nicht aussagen, wie sich der zusätzliche HZ Brute Force letztlich auf das Gesamtrechenergebnis in Elo auswirkt, da die selektiven Spitzen sehr unterschiedlich sein können ... und bei vielen Programmen situationsabhängig unabhängig vom BF Sockel in die Tiefe gehen.

2. Ebenso muss man dann wissen, wie groß der prozentuale Rechenanteil der Programme für den Sockel und die Spitzen ist ...

3. Programme mit wenig Wissen rechnen in der Regel schnell und werden auch schneller in die Tiefe kommen ... in der Theorie sollten sie durch eine Erhöhung der Tiefe eher profitieren, da sie mit Rechenkraft fehlendes Wissen ausgleichen müssen.

Aber das ist alles graue Theorie ...

Gruß,
Sascha
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  #9  
Alt 26.06.2011, 23:33
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Hallo Horst,

danke erstmal für Deinen Hinweis auf die Quelle, ich habe die Informationen auch in dem Buch gesucht, aber nur in dem Abschnitt über K. Thompson/Belle
 Zitat von Wandersleben Beitrag anzeigen
In diesem datensatz fehlt der faktor zeit vollkommen. Ich habe noch einmal den zugehörigen text genauer studiert. Auch dort fehlt jede angabe, mit welchem zeitverbrauch BELLE die einzelnen halbzüge abgearbeitet hat.
Soweit ich das verstanden habe, spielte der Zeitfaktor in dem Versuch von Thompson auch keine Rolle, da die einzelnen Versionen ja ihren Zug jeweils nach Erreichen der jeweiligen Rechentiefe ausgespielt haben.

Viele Grüße
Uwe
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  #10  
Alt 27.06.2011, 01:15
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AW: Bei welchen Programmen wirkt sich Tuning am effektivsten aus ?

ich möchte eine andere ueberlegung bringen.
den branching faktor zu ermitteln. na gut. das ist alles ganz nett.
aber sagt uns das was ueber das tuning aus ? ich glaube NICHT.

es sagt uns nur etwas ueber die ZEIT aus die das programm benötigt um tiefer zu kommen. aber fuers tuning ist TIEFER kommen wohl entscheidend (das ist richtig),
aber viel wichtiger ist: wann ändert das programm seinen zug.
denn eine durch tuning relevante verbesserung erfolgt nur, wenn
die durchs tuning längere rechenzeit einfluss auf den ZUG nehmen kann.

messt also mal wie OFT sich in Rechentiefen nochmals der 1. Zug verändert.

wenn sich der zug verändert, hat das programm ueberhaupt die möglichkeit seinen zug zu ändern.

nehmen wir an ein programm hat denselben zug seit 2 minuten.
nun kommt eine neue rechentiefe. immer noch derselbe zug.
dann einen halbzug weiter, endlich die veränderung.

ein anderes programm ist da ganz anders. es rechnet sehr häufig andere zuege als beste zuege.

es wird durch das tuning VIEL EHER zu anderen zuegen kommen.

wenn ein programm kaum die 1. Halbzuege der HV ändert, was soll ein noch so gutes tuning da denn bringen ??

da wird selbst eine verdopplung oder verdreifachung kaum was reissen.

diese frequenz, das wäre interessant zu ermitteln.

vielleicht ist das eine besser erklärende theorie.
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