Schachcomputer sind auch nur Menschen



Schon lange schwelt in der Schachwelt ein Streit darüber, ob nun Brettcomputer oder aber PC-Programme das "einzig Wahre" seien...

Nun könnte man die Argumentation rational führen - aber wäre dies bei einem solch emotionalen Thema angebracht ?

Statt nun nüchtern abzuwägen - hier eine andere Art des Herangehens in Form eines Wettkampfs zwischen 2 Protagonisten des jeweiligen Genres - Hase und Igel - um genau zu sein, zwischen Shredder 2 (experimental) und meinem Lieblingsbrettcomputer Chess Challenger 7.

Was der Oldie Chess Challenger 7 vom damaligen Prototyp Shredder-Coach hält, hab ich in einer kleinen fiktiven Story festgehalten.

Die Eröffnungbibliothek des Chess Challenger 7 ist bekanntlich sehr eingeschränkt, so war es keineswegs verwunderlich, daß der CC 7 bereits im dritten Zug rechnen mußte. Doch auch Shredder 2X hatte nach 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Sc3 Lc5 4. Se5: Se5: 5. d4 keinen weiteren Zug mehr im Eröffnungsrepertoire, obwohl Schwarz nur über 2 sinnvolle Erwiderungen (Ld4:, Ld6) verfügt, nach denen Weiß nur 1 Antwort hat: das direkte Schlagen einer Figur. Es wirkt sehr computermäßig, wenn nach Verlassen des Buches längere Zeit an einem einfachen Schlagzug wie Dd4: gerechnet wird.

Oder man macht es gleich richtig wie der CC 7: er stieg schon nach 2 Zügen aus...

Bemerkenswert die Reaktion des CC 7 bei seinem 4. Zug, dem Scheinopfer Se5: noch während der Zugberechnung begann sich das Netzteil des CC 7 zu verformen, er krümmte es wie ein Lasso..aha...jetzt mußte er nur noch die Schlinge zuziehen !

Nach dem 8.Zug meldete sich zum ersten Mal barsch der Coach von Shredder: "Der Zug Df6xf4 war dumm! Ke8d8 ist besser. Wollen Sie zurück nehmen ?"
Mein guter alter Chess Challenger 7 war schockiert: das hatte noch niemand zu ihm gesagt, so eine, so etwas @*°/\#?..." (fiel der Zensur zum Opfer !).

"Auch wenn ich einen ganzen Halbzug zurücknehmen kann" (wobei CC 7 das Wort zurücknehmen besonders betont aussprach, um sich über den grammatikalischen Faux pas des Gegners zu mokieren), "ich denke ja gar nicht daran! Ob Df6xf4 so dumm war, muß sich erst noch zeigen. Der Springer auf a8 könnte ja später noch verloren gehen - wie soll ich das bei meinen 2-3 Halbzügen Rechentiefe denn jetzt schon wissen? - und wer ist dann der Dumme ?"

Die seelenlose Maschine mit einer SSDF-Elo von ca. 1000 schien beleidigt, die Zornesröte stieg ihr ins Gesicht: deutlich zeigte ihre LED-Anzeige ein nie gekanntes Dunkelrot und wurde immer dunkelröter...wütend brütete CC 7 über seinem Antwortzug...der wird vernichtend sein...das Display färbte sich langsam blutrot...

Die empfindsamen Brettcomputer können es kaum vertragen gegen die PC-Kisten-Emporkömmlinge zu verlieren - wenn aber dieser arrogante Silikonklumpen glaubt, meine Züge als "dumm" abqualizifieren zu müssen...argghh. Das oberlehrerhafte Abstrafen konnte meine geliebte "Blechbüchse" nicht verwinden. Der Kommentar von Shredder 2.0X ("Der Zug Df6xf4 war dumm!") in der Hitze des Gefechts erschien meinem Uralt-Computer aus Goldgräberzeiten doch viel zu unbedacht zu sein, der auf die sensible Psyche des Brettschachcomputers überhaupt nicht genügend Rücksicht nimmt.

Auch wenn es in der Sache richtig war und ein Mensch selbst die Angelegenheit mit "dummer Zug" kommentieren würde, dies trieb Chess Challenger 7 zur Weißglut und die Zornesröte ins Display.

"Ich war gerade dabei ihm das "Du" anzubieten" schnaubte CC 7 "und dann sowas !"

Es gibt doch sprachlich so viele Alternativen: "Der Zug war schwach, schlecht, nicht gut, unvorsichtig, zu riskant, übereilt, ein Patzer, ein Schnitzer, ein Fehler, ein Korkszug, ein Schnapszug, ein Versehen...oder menschlich..."dozierte CC 7 mit einem gewaltigen Maß an Sarkasmus.

Seine Drähte glühten...er hatte einen kleinen Druckfehler bei seinem Gegner entdeckt, der ihm auf dem Monitor gönnerhaft anbot: "Wollen Sie zurück nehmen ?". "Das Verb muß aneinander geschrieben werden" (zumindest in meinem Baujahr, keine Ahnung, was die dämliche Rechtschreibreform dazu sagt) echauffierte sich CC 7.

"Mit diesen unfairen Anmerkungen will er mich nur aus dem Konzept bringen" ließ mich mein CC 7 wissen.
Was dem Gegner auch gelang: im 12. Zug die wiederholte Ansage: "Der Zug a7a6 war dumm ! Wollen Sie zurück nehmen ?"

Mein Chess Challenger 7 mußte sich zusammennehmen... die Temperatur des Netzteils stieg bedrohlich an.

"Wie soll man sich da konzentrieren ?" murmelte er. "Diese dauernden Beschimpfungen bringen mich dermaßen aus dem Konzept, daß meine Contempt-Algorithmen nicht mehr richtig greifen!".

Allmählich beschlich CC 7 ein mulmiges Gefühl: "Wenn ich doch nur ein Remisangebot unterbreiten könnte...mein Gegner hätte dann die einmalige Gelegenheit meine Remisofferte anzunehmen und mit einem halben Punkt gnädig davonzukommen." Aber in der Bedienungsanleitung des CC 7 fand sich kein entsprechender Passus.

14. Df4-e5 war dumm ! Da war's schon wieder: diese penetrante Besserwisserei.
Erneut ein eklatanter Verstoß nicht nur gegen die "Computer-Etiquette", auch die Genfer Computerschachkonvention wurde mit Füßen getreten ! Chess Challenger 7 wollte ob der unfairen Behandlung zwecks Beschwerde schnurstraks zum Schiedsrichter eilen, doch sein Netzkabel war viel zu kurz.
"Wenn ich einen Kurzschluß produziere, ist nur dieser vermaledeite Shredder schuld" knurrte er.
Ihm war es egal, daß es sich dabei nur um eine experimentelle Testversion handelte.

Das nächste Mal ereilte den CC 7 im 18. Zug eine grausame Nachricht: M13, diesmal nicht vom Coach persönlich überbracht, sondern nur im Analysefenster des Shredders zu sehen.

"Matt in 13 ! Hat man Töne ? Wie Baron von Münchhausen, immer diese maßlosen Überteibungen!", warf der CC 7 schnippisch ein um Zeit zu gewinnen, verzweifelt versuchte er indessen die Mattankündigung zu widerlegen.

Kurze Zeit später war es soweit: der Partiekurzschluß. Shredder 2X hatte durch seine gehässigen Bemerkungen (neuerliche Mattankündigung, diesmal
in 5 Zügen) den zartfühligen Chess Challenger 7 endgültig zermürbt, sodaß dieser völlig entnervt aufgab und sich lieber einzügig mattsetzen ließ (19. ...a5 statt mit 19. ...Sd7 das einzügige Matt zu decken).

"Immer noch besser als weiter diese haltlosen Sticheleien hinnehmen zu müssen !" meinte entschuldigend der Chess Challenger 7. "Ich komme doch deswegen nicht in die unterste Schublade...?" fragte er bekümmert und äußerst ängstlich.

Nur weil er ein Spielchen gegen Shredder in den Sand gesetzt hatte...
I woo, gerade solche tollen Verlustpartien machen Dich doch sooo liebenswert, versicherte ich meinem CC 7.

Augenblicklich machte sich ein Stimmungswandel bei ihm bemerkbar: er jubelte innerlich; aber nicht, weil er dem Abstellgleis entronnen war, sondern weil er etwas entdeckt hatte: das Coach-Feature des Shredder war abschaltbar !

Triumphierend rollte er mit seinen LED-Augen hin und her...
"Bei der Revanche ohne Coach kann er was erleben!"

Nun gehen die Auffassungen weit auseinander und zwar darüber, ob die vernichtende Niederlage, die mein Oldie Chess Challenger 7 gegen Shredder plus Coach erlitt, nur "coachbedingt" war (dies bejahen die Vertreter der "psychoanalytischen" Sichtweise) oder etwa ganz andere Ursachen hatte (dies wird von der "analytischen" PC-Fraktion vehement vertreten)...pöh...
Schachcomputer sind auch nur Menschen !!

Was sind schon mehr als 1000 Elo Unterschied - welcher Computer mehr Vergnügen bereitet - Schönheit entsteht im Auge des Betrachters...!!
Brettcomputer und PC-Programme...leben und leben lassen...

Gruß
Hans-Jürgen

genau wenn de ein pcprogramm schlagen willst musste schuften rund um die Uhr dein leben lang lohnt sich nicht dazu ist das leben zu schön, der bretti hilft dir aber dich fitzuhalten auch ohne großes Training und du kannst zusätzlich noch das leben genießen/ und das leben nur auf dem schachbrett zu verbringen ist doch - naja