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Alt 08.11.2009, 22:19
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eliskases eliskases ist offline
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Nabend zusammen!

Nachdem ich nun schon seit vielen Jahren bloßer Zaungast dieses herrlichen Forums bin, möchte ich mich, nach Überwindung aller hindernden Widrigkeiten, endlich auch vorstellen.

Warum erst so spät?

Nun, es ist die Fülle dessen, was zu erzählen doch unbedingt Not täte, das mich bislang vom Schreiben abgehalten hat, weil es mir stets wie die beschwerliche Aufgabe des Sysiphos erschien, die zu leisten nicht nur kein Wochenende, sondern auch ein ganzer Urlaub, ja vielleicht sogar die Ewigkeit, kaum ausreichen würden: denn unter dem Volumen von Marcel Prousts 7-bändigen Opus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wollte ich es selbstverständlich nicht machen; - keinesfalls aber unter der Seitenzahl von Thomas Manns 3-bändigem „Joseph und seine Brüder“! Angesichts dieser mir selbst gesetzten „Minimalanforderung“, verschob ich also die Unternehmung naturgemäß von Wochenende zu Wochenende, von Monat zu Monat und schließlich von Jahr zu Jahr.

Doch nun, nach erfolgreicher Eigentherapie, habe ich mich endlich entschlossen, dem Größenwahn ein jähes Ende zu setzen und aus dem opus magnum nur mehr eine Kurzgeschichte zu machen.

Ich muss jedoch schon an dieser Stelle auf ein gewisses Missverhältnis zwischen dem Umfang meiner Schachcomputersammlung und der vieljährigen Dauer meiner Schachcomputerbegeisterung hinweisen. Genau genommen kann recht eigentlich von einer „Sammlung“, im korrekten Sinne des Wortes, bei mir kaum gesprochen werden. So verfüge ich lediglich über vier Brettcomputer, von denen zwei mir Herz und Augen jedes Mal aufs Neue erfreuen, wenn ich sie betrachte und von Zeit zu Zeit eine kleine Partie auf ihnen schiebe: einen hübschen Super Expert C und einen arg verhätschelten Diablo. Des weiteren einen von mir oft wüst beschimpften Montreux, weil er mir so oft das Fell über die Ohren zieht und dessen flaches, schwarzes Chassis die ganze Bösartigkeit seines Maschinencharakters zum Ausdruck bringt, sowie einen in die Jahre gekommenen, etwas zerfledderten, aber braven Turbostar 432 KSO, der mir zwischen 1986 und 95 stets insofern treue Dienste geleistet hat, als er mir während meiner aktiven Zeit im Schachverein, regelmäßig Sonntagabends beim Nachspielen, genau jene zweizügigen Figurengewinne anzeigte, die ich ein paar Stunden vorher bei meinem Gegner auf dem Brett glatt übersehen hatte.

Mich einen Sammler zu nennen, würde ich also gar nicht wagen. Sagen wir: ich bin ein bloßer, aber großer Liebhaber, wobei meine ungeteilte Zuneigung mittlerweile spielstarken Holzgeräten mit gutem Charakter gilt. So verwundert es nicht, wenn sich mein fleischliches Begehren besonders auf einen Sparc, einen Tasc R30 und das ein oder andere Mephistogerät richtet. Regelrechte Liebe aber, die über das nur Körperliche weit hinausgeht, empfinde ich seit Neuestem – wie so viele hier – gegenüber einem Münchenbrett mit Revelation Module Set. Allein der Brautpreis ist noch nicht erwirtschaftet, so dass die glückliche Heimführung der Braut wohl noch ein wenig aufgeschoben werden muss.

Beruflich stark eingespannt (wie natürlich viele andere auch) komme ich zu kaum mehr, als am Wochenende die eine oder andere Partie mit meinen Geräten zu spielen. Auch dann zumeist nur Blitz- oder 30 Min.-Partien. Von Turnieren der Schönen untereinander mit 40Z./2Std. kann ich nur träumen. So kommt es, dass ich auch gar nicht viel zu schreiben habe im Forum. Ich lese zwar regelmäßig und verfolge mit großem Interesse, was sich allenthalben so tut und wer mit wem oder was ein schachliches Techtelmechtel begonnen hat, habe selbst aber wenig bis nichts beizusteuern, - außer mal hier, mal dort eine mal mehr, mal weniger dämliche Frage in die Runde zu stellen. Manchen Diskussionen kann ich auch schwer folgen, weil ich nicht auf der Höhe des bereits stattgefunden habenden Austausches bin. Viele hier sind in einem bewunderungswürdigen Umfange engagiert, den ich auch in Zukunft wohl nicht annähernd werde aufbringen können. Ich bitte also um Verständnis, wenn ich weiterhin vor allem kiebitze, mich dabei aber zumindest mit naseweisen Kommentaren über die Stellungen auf den Brettern zurückhalte. Denn, wie es bei Kiebitzen wie mir so oft der Fall ist, meinen die natürlich viel besser zu wissen als die Spieler, was auf dem Brett (respektive im Forum) gerade los ist und es besteht die Gefahr, dass sie dann in einer nervtötenden Weise geschwätzig werden, obwohl sie in Wahrheit die Stellung gar nicht begreifen, was bei den Spielern und den sonstigen Anwesenden zu berechtigtem und ausdauerndem Augenrollen führt. So soll also die ganz und gar ungebührliche Länge dieser Vorstellung eine gewisse Kompensation sein für all die von eliskases nicht geschriebenen Kommentare.


Meine Schachcomputerleidenschaft begann, als ich 1978 als junger Vereinsspieler mit zwei gleich gesinnten Freunden in einem Trierer Kaufhaus (wo auch sonst, als im Kaufhaus), die spektakuläre Präsentation eines Chess Champion MK 1 verfolgte. Natürlich hätten wir erkennen müssen, wie bodenlos schlecht das Schach des MK 1 war, doch faszinierte uns diese vermeintliche Wundermaschine über alle Maßen, denn sie spielte tatsächlich Schach (was sie in Wirklichkeit natürlich nicht tat, wie jeder hier weiß). Unsere Euphorie regte unsere Jungschachmänner-Fantasie aber dermaßen an, dass uns jeder, der vom MK 1 so zahlreich produzierten, fragwürdigen Züge, wie die tiefsinnige und verwegene Taktik eines Tal oder strategische Perfektion eines Botwinnik erschien, so dass die Brillanz der Maschine zu durchschauen wir eben bloß nicht in der Lage waren. Ja, wir trauten diesem besseren Taschenrechner in der Tat mehr schachliches Können zu, als uns selbst. Dafür erkannten wir recht schnell die schachlichen Grenzen des Bedieners, vermutlich ein armer Verkäufer aus der Damenoberbekleidung, der aber immerhin wusste, wie man die Figuren gemäß den Koordinaten des Brettes zieht und der nun mit ebenso großer Begeisterung wie fehlendem, schachlichen Verständnis, das Gerät als Caissas Weisheit letztgültigen Schluss anzupreisen nicht müde wurde.

Nun, bei uns hatte er jedenfalls nachhaltigen Erfolg und wenige Tage später kauften wir drei uns zusammen (!) einen MK 1, nachdem jeder sein Sparschwein geköpft und wir so mit Müh und Not den Kaufpreis von, ich glaube 250 oder 300 DM, zusammenbekommen hatten. Nun mussten wir uns freilich einigen, wer von uns das Ding am Wochenende zuerst würde ausprobieren dürfen. Also wurde gelost, und ich sehe noch heute mein langes und blasses Gesicht, gespiegelt im Gesicht des Freundes, der auch verloren hatte. Damit war das Wochenende uns beiden natürlich gründlich versaut, während der Dritte im Bunde sich vor überschwänglichem Glück gar nicht wieder fassen konnte. Wir bemerkten dann aber reihum sehr schnell, was für eine Niete wir da für teures Geld gezogen hatten. Das Ding spielte so schlecht, dass man sich wirklich schon sehr anstrengen musste, um zu verlieren, - selbst wenn man ganze Figuren vorgab. Da der MK1 über kein Buch verfügte, gab man ganz einfach die Grundposition z.B. ohne Turm ein, spielte los – und gewann gleichwohl, - mit beliebig reproduzierbaren Seekadettenmatt.

Wir hatten schon lange vergessen, bei wem von uns das unsägliche Gerät mittlerweile verstaubte, als ein Schachkollege eines Tages das Chess Champion Super System MK III an einem der donnerstäglichen Vereinsabende mitbrachte, - und zwar alle drei Segmente in einem Koffer. Das Staunen nahm kein Ende unter den Vereinskollegen und auch wir, durch unsere Erfahrungen mit dem MK 1 zwar vorsichtig geworden, aber nichtsdestotrotz voller prinzipieller Begeisterung für schachspielende Maschinen, reckten die Nasen über die Schultern der vor uns Stehenden, um besser sehen zu können.

Kurz nachdem der stolze Besitzer und Schachfreund noch einmal versichert hatte, um ein wie spielstarkes Gerät es sich hierbei doch handelte, war die erste Partie gegen irgendwen schon mit Glanz und Glorie verloren. Ebenso bald Numero zwei und drei.

Ja, man hatte es nicht leicht als Schachcomputerenthusiast in der alten Zeit. Hatte sich das Gerät halbwegs aus der Eröffnung gerettet und hielt im Mittelspiel sogar noch ganz gut mit, konnte man versichert sein, dass es sich spätestens im Endspiel so sicher suizidieren würde, wie ein japanischer Kamikazepilot in der Schlacht um Iwo Jima. Angesichts der traurigen Ergebnisse gegen Menschen viel es schwer, sich seinen Enthusiasmus für das Computerschach zu bewahren. Eh schon zerknirscht über die spärlichen Leistungen der tapferen, kleinen, elektronischen Freunde, wurde im Verein natürlich auch noch Hohn und Spott reichlich über jeden ausgegossen, der zu behaupten wagte, es würde schon noch eine Zeit kommen, da der Schachcomputer es dem Menschen zeigen werde. Das sollte dann aber noch bis zu dem legendären Kasparov-Duell mit Deep Blue 1997 dauern.

Später freute man sich bereits wie der berühmte König im Schnee, wenn in einem Programm endlich die Gewinnführung mit Läufer und Springer implementiert war. Aber was nutzte es, wenn es vom ganzen Endspiel genau nur das verstand, bei nichtmal sehr komplizierten Bauern- und Turmendspielen aber immer noch regelmäßig patzte, dass sich die Balken bogen? Im Verein wagte es jedenfalls nur mehr ein Kollege noch, jenes hässliche, kleine Mephisto-Brikett mitzubringen, dem es bereits mit seinem äußeren Erscheinungsbild nicht recht gelingen wollte, irgendwen tiefer zu beeindrucken.

So ging die Zeit ins Land und ich ins Studium, und ich verlor ein bisschen den Kontakt zur weiteren Entwicklung. Computer, Schach & Spiele hatte sich irgendwann gegründet und Piel hatte sein sehr gutes Computerschachmagazin längst eingestellt, als ich mich wieder mehr für die Materie interessierte (ein paar Piel-Hefte habe ich noch heute im Keller liegen).

Ungezählt sind die Stunden, da ich in gediegenen Buchhandlungen mit Schachecke saß und dort die CSS studierte, weil ich sie mir als Student nicht zu kaufen erlaubte, hätte dies doch den Erwerb lebensnotwendiger Lebensmittel vereitelt. Auf diese Weise fand ich aber zumindest wieder Anschluss an das Computerschachgeschehen, ohne mir jedoch je einen der dort vorgestellten Brettcomputer, seien sie aus Holz oder Plastik gewesen, hätte leisten können. (An diesem Zustand hat sich bis heute leider nicht grundlegend etwas geändert).

Über die atemlose Begeisterung für den Super-Conny wegen seines erstaunlichen, aggressiv-menschlichen Stils, mit dem vor allem Menschen sich schwer taten, die dazu tendierten, wie weiland der große Tal aus dem Stuhl zu fallen, wenn unerwartet eine Figur gegen sie geopfert wird (S. Vukovic, "Das Buch vom Opfer"), habe ich ausschließlich aus der CSS erfahren. Bis heute habe ich leibhaftig nie eine Partie gegen ihn gespielt, - nur in den feuchten Schachcomuterenthusiastenträumen meiner Sturm und Drang-Zeit.

Es muss dann 85 oder 86 gewesen sein, als ich in Köln Zivildienst leistete (den man nach einem abgebrochenen, halben Theologiestudium nachholen musste), als ich mich mit ausreichend Bargeld in der Tasche zu Günther Niggemann in den Mauspfad aufmachte, wo er damals wohnte, um mir den besagten Turbostar 432 KSO anzuschauen, von dem ich in der CSS solides gelesen hatte. Ich erwartete eigentlich eine Art Schachcomputerladen vorzufinden (wie den Elektroschach-Ketterling in Berlin). Umso erstaunter war ich, als ich mich nach dem Klingeln in seiner Privatwohnung wieder fand, in der Küche sitzend und stundenlang den Turbostar 432 malträtierend, dem ich eine Endspielstellung nach der anderen eingab, von denen er erstaunlich viele lösen konnte (was aber an der notierten Auswahl gelegen haben mag, die ich getroffen hatte).
Wie dem auch sei kam irgendwann Günther Niggemann wieder in seine höchsteigene Küche und fragte höflich, wie lange ich denn noch zum Testen brauche, die Familie würde nämlich gerne etwas essen wollen. Ich hatte genug gesehen und kaufte bar, vermutlich zu seiner großen Erleichterung, den Turbostar 432 mit aufgepflanztem KSO-Chip, so zusagen vom Küchentisch weg für schlappe 800 DM-Steine, also einem Vermögen in meinen Augen.
Ich glaube, ich war vorher und nachher nie wieder so stolz auf einen bloß materiellen Besitz wie in diesem Augenblick, als ich mit dem wundervollen Karton und seinem kostbaren Inhalt unterm Arm, mich wieder mit der Straßenbahn auf den Weg zu den Kölner Kinderheimen auf dem Sülzgürtel machte, wo ich als Zivi wohnte.

Das Problem war nur, dass ich anderntags Frühdienst haben sollte. Wann also das Prachtstück ausgiebig ausprobieren? So entschied sich mein Geist für die Krankheit als Weg und Lösung. Ich war nach ausgiebigem Bespielen des Gerätes erst um 3:00 Uhr ins Bett gekommen und wachte morgens um 6:00 Uhr als im Sterben liegender auf. Mein Körper war in der Blüte seiner Jahre grippal dahingerafft. Nicht, dass ich simuliert hätte. Ich war tatsächlich so krank, dass der Arzt mir eiligst mindestens eine Woche strengster Bettruhe verordnete, waren alle einschlägigen Symptome doch unübersehbar und reichlich vorhanden.
Nun ja, Kraft genug zum Aufbauen der Plastikfiguren auf dem elektronischen Brett in meinem Bett hatte ich allemal, und so testete ich in einer Woche den kompletten ersten Band „Lehrbuch der Schachtaktik“ von Alexander Kotow liegend durch, was freilich eine gewisse Ernüchterung über die Leistungsfähigkeit des Kaplan-Programms mit sich brachte, - was wiederum meiner Gesundheit gar nicht förderlich war, denn so brauchte ich eine zweite Woche der durchspielten, ausgiebigen Rekonvaleszenz.
Aber der Turbostar war immerhin so stark, dass ich im Weiteren, - nach längerer Schachabstinenz im aktiven Turnierspiel selbst erheblich schwächer geworden -, viele hübsche, wenn im Ganzen betrachtet allerdings auch oft etwas langweilige, Partien mit ihm spielte. Zudem konnte man wunderbar Eröffnungen üben, denn mit der KSO-Eröffnungserweiterung (Kasparov Selectetd Openings), konnte von einem Überspielen des Programms schon in der frühen Phase des Spiels - zumindest durch mich - keine Rede sein.


Meiner eigentlichen Profession folgend begab ich mich nach erfolgreicher Absolvierung des Zivildienstes ins nahe gelegene Bonn, um dort Philosophie zu studieren. Wenn es bislang einer Erklärung ermangelte, warum ich es bis heute auf nur zwei gediegene Brettgeräte und zwei Plastikschrammeln gebracht habe, dann findet sie sich in eben jener Profession, die getrost als eine der brotlosesten im bekannten Universum angesehen werden darf.
Nun ja, - ganz so finanziell trostlos sieht es heute zwar nicht mehr aus, aber bis dahin war ein langer, beschwerlicher Weg.


Ich erinnere noch deutlich jenen Vortrag am Institut für Logik und Wissenschaftstheorie der Universität Bonn, der von einem Philosophieprofessor zum Thema „Schachcomputer und künstliche Intelligenz“ (oder so ähnlich) gehalten wurde.
Mittlerweile waren längst der Fidelity Mach 3 und 4 des Spracklen-Ehepaares erschienen, die von Spöttern und Designliebhabern zu Recht abschätzig als „Badewannen“ bezeichnet wurden, die jedoch bereits einem guten Vereinsspieler das Leben gehörig schwer machen konnten.
Richard Lang hatte sich mit seinen Weltmeisterprogrammen längst einen unauslöschlichen Namen in der Programmiererszene gemacht, und die Fidelity Elite Avantgarde- und V-Geräte hatten ebenfalls das Licht der Welt schon seit einiger Zeit erblickt. Allesamt von mir still bewunderte Schachcomputer, die ich freilich nur aus dem Prospekt und den enthusiastischen Besprechungen in der CSS kannte. Verliebt hatte ich mich aber von Beginn an in die wunderschönen Brettgeräte von Novag: den Experts A bis C und dem Diablo, die zur Zeit des Vortrags freilich fast schon in die Jahre gekommen waren, was mich aber wegen ihres ansprechenden Äußeren keineswegs störte, denn bis heute bin ich in dieser Hinsicht ausgesprochener Ästhet, und ein gediegenes München- oder Bavariabrett, ein eleganter Avantgarde oder eben die wunderhübschen Super Expert und Diablo, lassen mich etwaige Spielstärkemängel geflissentlich übersehen.
Auf einem hässlichen Plastikgerät (wie der „Badewanne“) spielen zu müssen, bereitet mir umgekehrt fast körperliche Schmerzen. Mein Montreux, dieser finstere Geselle, geht eben gerade noch so durch. Seine Spielstärke nötigt mir Respekt ab, aber diese winzigen, fitzeligen Plastikfigürchen auf viel zu kleinen Feldern sind grässlich.
Die wundervollen, handgefertigten Bretter des Forumskollegen Juppiter, scheinen dagegen direkt aus dem himmlischen Jerusalem zu uns hernieder gekommen zu sein. Prachtvolle Bretter bewunderungswürdiger Handwerkskunst.
Und ein Revelation Modul Set in einem gut erhaltenen Münchenbrett, scheint mir deshalb brachial-großmeisterliche Spielstärke und gediegene, Holz gewordene Eleganz der Form in einem fast obszönen Maße zu vereinen. Doch ich schweife ab.

Jener Professor also, dessen Name mir abhanden gekommen ist, räsonierte in besagtem Vortrag also u.a. über die Unterschiede zwischen menschlichem und Computer generiertem Schach. Ein kleiner, dicker Junge um die 14 Jahre, wohl mit seinem Vater anwesend, war mir vor der Veranstaltung bereits aufgefallen als sehr untypisches Publikum einer universitären Veranstaltung.
Der Herr Professor verstieg sich nun an einer Stelle zu der Bemerkung, im Unterschied zum Menschen könne der Computer nicht aus seinen Fehlern lernen. Es muss dies für die meisten Anwesenden die einzige, verständliche Stelle im ganzen Vortrag gewesen sein, denn ansonsten wurde vom Vortragenden sehr umfassend über die komplexe Logik schachlicher Heuristiken belehrt. Er konnte den Satz nicht so schnell beenden, wie der Arm des dicklichen Knaben in die Höhe surrte. Der Professor, leicht irritiert darüber, dass jemand - und dazu noch ein Kind - noch während des Vortrags Diskussionsbedarf anmeldete, erteilte ihm das Wort und musste sich nun selbst in einem längeren Stehgreifvortrag über die Geschichte der Spracklen-Programme belehren lassen und darüber, dass einige Geräte aus dem Hause Fidelity sehr wohl aus ihren Fehlern lernen könnten, mitsamt mehrerer, aus dem Kopfe vorgetragener Beispielstellungen.
Einigermaßen überrascht würdigte der Vortragende den Einwurf mit den Worten: „Ist das so, - ja? Na dann ist die Schachprogrammierung heute wesentlich weiter als ich dachte“.
Der stolze Vater strich dem Sohnemann zärtlich über den Kopf und beide lächelten. Und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass jener Junge heute als sicherlich stattlicher Mann in diesem Forum nicht entweder selbst aktiv ist, oder doch zumindest wie ich, still und mit Begeisterung, unerkannt liest. Ich glaube ich sah ihn einige Zeit später wieder als Bediener eines Mephistogerätes im Beuler Brückenforum während einer Simultanveranstaltung mit dem unvergesslichen Michail Tal, der damals, von schwerer Krankheit gezeichnet, aber gleichwohl rauchend wie ein Schlot, schon leicht gebückt und bescheiden geworden, von Brett zu Brett mehr schlich als ging.
Tatsächlich verlor der ehemals große Tal gegen das Mephistogerät, von dem ich leider nicht mehr weiß, welches Programm in ihm steckte. Er reichte dem jungen Mann die gesunde Hand zum Sieg (während er in seiner Krallenhand die Zigarette hielt) und dieser erklärte wahrheitsgemäß (war es in Englisch oder sogar in Deutsch?), dass er ja eigentlich nicht ihm, sondern dem Computer gratulieren müsse.
Dies verwirrte den alten Kämpen nun doch so sehr, dass er ganz irritiert und Hilfe suchend um sich schaute und nicht wusste, was er tun sollte. Also streichelte er unbeholfen kurz die hölzerne Verkleidung des Schachprogramms und verließ, - traurig, wie mir schien - den Spielsaal.
Mir schnürte sich etwas das Herz zu, denn ich wusste in diesem Augenblick, dass gerade eine Ära im Schach zu Ende gegangen war, die nie wiederkommen würde.

Aber das Neue hat natürlich auch sein Gutes, und wir erleben heute durch die Analyse- und Vorbereitungsmöglichkeiten mit Chessbase oder Programmen wie Rybka oder Shredder ein Schach auf so hohem Niveau, wie es vordem nicht denkbar war.

Obwohl: zuweilen fällt mir doch auf, dass die Partieanlage und Kombinationsvirtuosität eines Pillsbury, Rubinstein, Capablanca, Aljechin, Botwinnik, Bobby Fischer und wie sie alle heißen mögen, die sich allein und ausschließlich auf ihren Kopf, autodidaktischen Studien und allenfalls einen geistreichen Sekundanten verlassen konnten, sich vor den großartigen, computerunterstützten Leistungen eines Magnus Carlsen in Nanjing durchaus nicht verstecken müssen.

Wie dem auch sei hätte ich nur gerne noch vor Ablauf meines Lebens einen Sparc, einen Genius, einen Tasc R30 und einen Revelation im Münchenbrett bespielt. Und das sollte doch zu schaffen sein.

Ansonsten beglückwünsche ich dieses Forum zu seinen Usern und wünsche allen „Gut Holz!“ und viel Spaß beim Klötzchenschieben auf den elektronischen Brettern, dass unser aller Leidenschaft ist. Wenn einem Samurai nur eine Kirschblüte im Frühjahr den Sinn seines Lebens garantiert, dann sollte ein gediegenes und viel Freude bereitendes Turnier zwischen kunstfertig schachspielenden Boliden allemal dafür genügen.
Glück auf also und Ahoi bei der zweitschönsten Sache der Welt ...

Geändert von eliskases (08.11.2009 um 22:36 Uhr)
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