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Alt 10.07.2018, 17:17
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Egbert Egbert ist gerade online
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AW: Revelation II Vancouver Spezial

Hallo Schachcomputer Freunde,

nach 40 Partien ziehe ich einen Schlussstrich. Die Überlegenheit des CGE hat mich in dieser Deutlichkeit doch überrascht. Daran ändert auch der Sieg des Vancouvers in der letzten Partie nichts.


Endstand:



Demnach hat der ChessGenius Exclusive 68,75% der möglichen Punkte geholt. Jürgen lag mit seinen geschätzten 70% ganz nahe an der Wahrheit und einen Hauch näher an der Wahrheit wie Wolfgang2, welcher den CGE auf 67% prognostizierte. Aber auch Jürgen (alias Boris) lag mit seinen geschätzten 72% für den CGE durchaus nicht schlecht. Ihr habt das alle wesentlich realistischer eingeschätzt als ich.

Für mich steht es außer Frage, dass der Rev. II Mephisto Vancouver auch ohne seine Spezial-Einstellungen ähnlich chancenlos untergegangen wäre.


Die letzte Partie möchte ich Euch jedoch nicht vorenthalten. Nachdem der CGE einen taktischen Fehler beging, sah Vancouver Spezial auf dem Revelation II bereits wie der sichere Sieger aus. Just in dem Moment, als dieser den Sieg schon praktisch verdaddelt hatte, gelang diesem durch einen wunderschönen Zug ein toller Sieg im Endspiel.

[Event "Revelation II Vancouver Spezial"]
[Site "?"]
[Date "2018.07.10"]
[Round "40"]
[White "ChessGenius Exlusive V. 23.1, 300 MHz"]
[Black "Rev. II Vancouver Special"]
[Result "0-1"]
[ECO "C30"]
[Annotator "Rapp,Egbert"]
[PlyCount "133"]
[EventDate "2018.07.10"]

1. e4 e5 2. f4 Qh4+ 3. g3 Qe7 4. fxe5 d6 5. Nf3 dxe5 {Ende Buch} 6. b3 Nf6 7.
Ba3 {Ende Buch} Qd8 8. Bb2 Bd6 9. Bc4 {? ein erster Fehler des CGE. Hier gab
es mit 9. Sf3xe5 eine deutlich bessere Alternative.} O-O 10. d3 Qe7 11. Nc3 c6
12. a4 Bb4 13. Qd2 {? hier sollte der CGE vorbeugend 13. h2-h3 spielen, um dem
schwarzen Läufer das Feld g4 zu versperren. Vancouver steht bereits
positionell klar besser da.} Bg4 14. Qe3 {? in dieser Partie hat der CGE
große Probleme. Besser war noch die kleine Rochade an dieser Stelle.} Bc5 {
? auch klar schwächer als 14. ...Sb8-d7.} 15. Qe2 Nbd7 16. h3 Bxf3 17. Qxf3
Bd4 {!} 18. Kd2 {? genau da gehört der König nicht hin. Das kostet in der
Folge unweigerlich Material.} Qb4 19. Rhf1 b5 20. axb5 cxb5 21. Bxb5 Bxc3+ 22.
Bxc3 Qxb5 {eigentlich könnte man Weiß bereits den Stecker ziehen...} 23. Qf5
Rfc8 24. Ra4 Qc5 25. Rc4 Qd6 26. Bb4 Qb6 27. Bc3 Rxc4 28. bxc4 Re8 29. g4 Re7
30. Ra1 Ne8 31. Qf1 Nd6 32. Rb1 Qc5 33. Qf3 f6 34. h4 Rf7 35. h5 h6 36. Ra1 {
? ein weiterer schwacher Zug des CGE. Nach 36. Lc3-b4 bleibt der Schaden noch
überschaubarer.} Nb6 37. Kc1 Rd7 38. Be1 Nbxc4 39. dxc4 Qxc4 {? was hat den
Vancouver nur zu diesem Zug bewogen. 39. ...Sd6xc4 ist klar vorzuziehen.} 40.
Qd3 Qxe4 41. Qxe4 Nxe4 42. Ra4 Nc5 43. Rc4 Nb7 44. Bf2 a5 45. Rc6 Kf7 46. Ra6
e4 47. Bg1 {CGE spielt in dieser Phase sehr stark und ich sah den sicher
geglaubten Gewinn des Vancouvers bereits in weite Ferne rücken.} g6 48. hxg6+
Kxg6 49. Re6 Rd5 50. Rxe4 Re5 51. Rxe5 fxe5 52. Bh2 {? der vorentscheidende
Fehler des CGE, die Varianten sind selbst für diesen schnellen Rechner zu
tief. Nach 52. Kc1-b2 geht die Partie wohl Remis aus.} e4 53. Kd2 a4 {!} 54.
Ke3 Kg5 {? und hier verschenkt Vancouver den Sieg fast wieder, welcher nach 54.
...a4-a3 fest steht.} 55. Kxe4 {? und wieder zu tief für den CGE. Nach 55.
Lh2-f4 wird es Remis.} Kxg4 56. Kd4 h5 57. Kc4 {der weiße König samt dem
weißen Läufer wird nicht beide schwarzen Randbauern aufhalten können.} h4
58. Kb4 Nc5 {wunderschön!! Das sind die Züge , welche das Schach so
einzigartig machen.} 59. Bg1 h3 60. c4 Kf3 61. Bxc5 h2 62. Kxa4 h1=Q 63. Kb5
Qb1+ 64. Kc6 Qd3 65. Kb5 Qb3+ 66. Kc6 Qxc4 67. Kd6 {und CGE gibt auf. Gerade
auch wieder in dieser Partie konnte man sehen, wie schwer sich der Vancouver
tut, überhaupt eine Partie gegen den CGE zu gewinnen. Ohne klaren Vorteil aus
der Eröffnung mitzunehmen, schafft dies der tapfere Vancouver kaum.
Allerdings entschädigt der bärenstarke 58. Zug des Vancouvers ...Sb7-c5! für
so einiges.} 0-1




Mein Eindruck nach 40 gespielten Partien. Ich beschränke mich hierbei auf den CGE:

ChessGenius Exclusive V. 23.1, 300 MHz:

+ überwiegend gute Eröffnungsbehandlung (klassische London Buch)
+ aufgrund des schnellen Prozessors (für Schachcomputer-Verhältnisse) taktisch gefährlich
+ die Rechentiefen welche sich durch die schlankere Programmstruktur und den schnelleren Prozessor ergeben, sind für Schachcomputer-Programme von Richard Lang schon sehenswert
+ der Spielstärkezuwachs durch die Hardwarepower eines ARM Cortex M7 skaliert mit der Engine gut
+ kann sich sehr zäh verteidigen
+ das Programm kann auch mit einem Läuferpaar gut umgehen, ist sich jedoch über den Vorteil eines solchen in vielen Stellungen nicht bewusst
+ die neue Engine nimmt auch Doppelbauern in Kauf, wenn es genügend Kompensation in Form von Besetzung von Linien, Felder-Beherrschung, etc. gibt
+ die Engine versteht sehr gut mit Freibauern umzugehen
+ ein Endspielgigant aus der Perspektive der Schachcomputer
+ Gewinn-Stellungen werden oftmals durch gute Technik in Siege gemünzt
+ absolut sauber programmiert

- manche Eröffnungsvarianten sollten aus dem aktiven Repertoire genommen werden (s. hier die Partien 1 und 3 als Beleg). Gerade bei Gambit-Eröffnungen sollte das Buch überarbeitet/erweitert werden. Bekanntlich tun sich unsere Schachcomputer meist schwer, mit den entstandenen Stellungen wirklich etwas anfangen zu können, also die Kompensation dann zielführend auszunützen. Zumindest sollten dann bei solchen aktiv gespielten Gambit-Eröffnungen, Haupt- und Nebenvarianten in der Breite und Tiefe umfassend implementiert sein. Das klassische London Buch müsste generell an die Erkenntnisse der modernen Eröffnungstheorie angepasst werden. Insgesamt könnten über die Verbesserungen der Eröffnungs-Bibliothek einige Elo-Punkte hinzugewonnen werden, dem steht natürlich ein nicht unerheblicher Aufwand gegenüber.
- Tempoverluste, bzw. Defizite in der Entwicklung sind nicht weg zu diskutieren, allerdings werden diese erst gegen wirklich sehr starke Gegner aufgedeckt und bestraft
- das Bewertungsschema ist „alte Schule“ und somit sehr Material-orientiert
- taktisch wird vieles gesehen, hin und wieder gibt es jedoch auch Kombinationen, welche dem CGE entgehen
- positionell spielt der CGE im Großen und Ganzen befriedigend, da ist ihm der Vancouver sogar leicht überlegen. Ein Vergleich mit heutigen PC Engines verbietet sich hier von vorn herein.
- neigt zu verstärktem Abtausch-Verhalten, durchaus auch in Stellungen wo dieses Programmverhalten zum Nachteil führt
- trotz aus Schachcomputer Sicht überragendem Endspiel, fehlt doch einiges an Wissen


Der Wettkampf hat mir großen Spaß gemacht, natürlich haben mich Euer umfangreiches Feedback, Analysen etc. zusätzlich motiviert. Danke hierfür!

Jetzt wird erst mal eine kurze schöpferische Pause eingelegt, bis es dann mit meinem Turnier "ChessGenius Exclusive AREA" weitergehen wird. Hierfür muss "nur" noch Millenium "The King" ausliefern.

Gruß
Egbert
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Dateityp: pgn CGE_V.23.1 vs Rev. II Vancouver ~ 68030, 66 MHz_Partien_1 bis40.pgn (83,0 KB, 178x aufgerufen)

Geändert von Egbert (10.07.2018 um 17:25 Uhr) Grund: Korrektur
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