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Alt 18.08.2004, 12:48
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 Zitat von Dirk
Komisch -- ich habe 500 ELO weniger und hätte Sxg4 gespielt. Vielleicht ein Fall für den Mephisto III?
Naja, ihr seid mir vielleicht...

Auch die starken Programme und Computer spielen nicht immer sinnvolle Züge, selbst wenn sie aus den dann entstehenden Stellungen noch genügend herausholen können. Man erinnere sich z.B. an Juniors Kh1 gegen Kasparov - niemand würde argumentieren "Junior hat eine Spielstärke von 2800, also ist der Zug Kh1 in der betreffenden Stellung besser als xxx" (den vielleicht Mephisto III vorschlägt). Abgesehen davon tendieren sie natürlich dazu, in jeder Stellung nach einer taktischen Lösung zu suchen und bewerten daher langfristig angelegte Züge erstmal schlechter. Als Mensch hat man gegen die GHz Boliden dann oft Schwierigkeiten den taktischen Kniffen auszuweichen, was aber nicht unbedingt als Widerlegung der ruhigeren Fortsetzung gelten sollte.

 Zitat von Bernhard
wage 'mal einen kleinen Einspruch bei der möglichen Fortsetzung. Nach 3.0-0 Ld6 4.Sf3 c4 5.Dc2 0-0 ist mir der Vorteil des LPs nicht einsichtig. Steht hier Weiß wirklich besser? Das schwarze Übergewicht am Damenflügel sieht bedrohlich aus.
Yep, dass der weiße Aufbau nicht der aktivste ist, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Insbesondere die Dame auf b3 steht alles andere als gut und der c1-Läufer ist natürlich das größte Sorgenkind des Weißen. Er steht also von vorne herein nicht besser, man kann also nicht erwarten, dass es eine kurzzügige Lösung für sein Problem gibt und er plötzlich aus heiterem Himmel besser stehen wird. Das war auch nicht der Punkt. Die Frage war vielmehr nach der logischsten Fortsetzung für ihn.

Und da darf ich einen kleinen Gegeneinspruch einlegen, Bernhard. Die Züge 4.Sf3?! und 4...c4?! werden beide nicht den notwendigen weißen resp. schwarzen Plänen gerecht. Weiß möchte, wie gesagt, seinen Läufer befreien, dazu bietet sich der Vorstoß e4 an (oder b3/b4, aber da steht ja erstmal die Dame und es müßte irgendwann noch c4 kommen...). Um also e4 durchzusetzen, sollte der Springer besser auf d2 stehen bleiben. Eine mögliche Fortsetzung wäre

(1.Sxg4 Sxg4 2.Le2 Sf6 3.0-0 Ld6) 4.h3 c4 5.Dc2 0-0 6.e4! (ob in dieser Variante der Läufer auf d6 optimal steht? - nun droht e5) 6...Sxe4 7.Sxe4 dxe4 8.Dxe4 und man beginnt die Stärke des Läuferpaares zu ahnen. Das Übergewicht von Schwarz auf dem Damenflügel ist nun nicht mehr sehr bedrohlich.

black
abcdefgh
8
bRbRbK
bPbPbQbPbPbP
bNbBbP
bPwPwQ
wPwP
wPwPwBwPwP
wRwBwRwK
8
77
66
55
44
33
22
11
abcdefgh
(13/13)   SMIRF FullChess FRC FEN-Editor (© by R. Scharnagl) Ver. 2.1.3

r4rk1/ppq2ppp/2nbp3/8/2pPQ3/2P4P/PP2BPP1/R1B2RK1 b - - 0 8

Wie schon angedeutet, hat hier aber Schwarz dem Weißen das Leben recht einfach gemacht und zwar mit dem Zug c5-c4. Damit wird der Druck von d4 genommen, was natürlich e4 erleichtert. Abgesehen davon wird die Dame von ihrem ohnehin schlechten Feld vertrieben und auf die richtige Diagonale nach c2 geschickt. Es ist aber generell nicht gut, Spannungen ohne Not aufzuheben. Besser wäre sicherlich einfach die Rochade und dann muss sich Weiß etwas einfallen lassen.

Eine Idee wäre es, selbst die Spannung von d4 zu nehmen und von a4 aus die vierte Reihe zu kontrollieren (auf c2 drohen dann gelegentlich Springerausfälle nach b4), vielleicht so:

(1.Sxg4 Sxg4 2.Le2 Sf6 3.0-0 Ld6) 4.h3 0-0 5.dxc5 Lxc5 6.Da4 Ld6 7.e4 Tfe8 8.exd5 exd5 9.Ld3 usw.

black
abcdefgh
8
bRbRbK
bPbPbQbPbPbP
bNbBbN
bP
wQ
wPwBwP
wPwPwNwPwP
wRwBwRwK
8
77
66
55
44
33
22
11
abcdefgh
(13/13)   SMIRF FullChess FRC FEN-Editor (© by R. Scharnagl) Ver. 2.1.3

r3r1k1/ppq2ppp/2nb1n2/3p4/Q7/2PB3P/PP1N1PP1/R1B2RK1 b - - 0 9

Die Öffnung der Stellung sollte Weiß langfristig mehr in die Hände spielen als Schwarz. Sein Problem ist eben die Entwicklung des Damenflügels, was aber eher in der Eröffnungswahl und weniger in der Entscheidung Lb5 oder Sxg4 liegt.

Die Stellung habe ich übrigens (nach einer Empfehlung von John Watson) aus einem Buch von IM Silman, der allerdings die Varianten nicht näher ausführt, sondern hier nur die ersten drei Züge angibt. Ich nehme aber an, dass er die Varianten trotzdem am PC geprüft hat, da er dies bei den taktischen Aufgaben auch an einer Stelle erwähnt.

Vielleicht war es aber auch kein gutes Beispiel für unsere Rechenknechte, da sie ja an eine Stellung anders herangehen (wie gesagt, wesentlich taktischer) und wir Menschen in einer Partie einen Plan brauchen, um weiter richtig fortzusetzen...

Viele Grüße,
Martin

Geändert von Martin (18.08.2004 um 12:51 Uhr)
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