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Alt 26.03.2017, 16:59
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AW: ChessGenius Pro in der Turnierschacharena

Hallo Schachcomputer Freunde,

der 8. Wettkampf mit dem ChessGenius Pro ist beendet. Eine spannende Partie, wenn auch von beiden Seiten nicht ohne Fehler gespielt, brachte den verdienten Sieg für den Mephisto London in der 20. Partie.

[Event "ChessGenius Pro Turnierschach"]
[Site "?"]
[Date "2017.03.26"]
[Round "160"]
[White "Rev. II Mephisto London, ~ 68030, 66 MHz"]
[Black "ChessGenius Pro"]
[Result "1-0"]
[ECO "B11"]
[Annotator "Rapp,Egbert"]
[PlyCount "170"]

1. e4 c6 2. Nf3 d5 3. Nc3 Bg4 4. h3 Bxf3 5. Qxf3 Nf6 6. d3 e6 7. Bd2 Nbd7 8. g4
d4 {Ende Buch} 9. Ne2 c5 10. O-O-O {Ende Buch. Die gegensätzlichen Rochaden
versprechen i.d.R. einen interessanten Kampf.} Be7 11. Bg2 O-O {Nach der
Eröffnungsphase kann Weiß ein leichtes Stellungs-Plus verzeichnen.} 12. Qg3
Nb8 {? sehr passiv.} 13. g5 Nfd7 14. f4 Qb6 15. f5 {vielleicht etwas verfrüht.
Mit 15. h3-h4 hätte der Druck noch verstärkt werden können.} Bd6 16. Qf2 a5
{Der CGP versucht nun seinerseits einen Angriff am gegnerischen Königsflügel
zu inszenieren.} 17. f6 gxf6 {? kein guter Zug des CGP. Nach 17. ...Sb8-c6
hält sich der Nachteil in Grenzen.} 18. gxf6 a4 19. Qh4 Kh8 20. Bh6 Rg8 21.
Bg7+ Rxg7 22. fxg7+ Kg8 {und schon hat der Mephisto London die Qualität
erobert. Die Stellung ist jedoch zweischneidig.} 23. Rhf1 {hier gab es eine
deutlich stärkere Fortsetzung:} (23. e5 Nxe5 24. Be4 f5 25. Qf6 fxe4 26. Qxe6+
Kxg7 27. Rhg1+ Ng6 28. Rdf1 Bf4+ 29. Nxf4 Qxe6 30. Nxe6+ Kh8) 23... a3 24. b3
Ne5 25. Qh5 Nbc6 26. Rf6 {? Mephisto London vergibt seinen Vorteil, deutlich
besser war 26. Tf1-f4.} Ra5 {? der CGP verpasst die Chance zum Ausgleich:} (
26... c4 27. Kb1 cxb3 28. cxb3 Ra5 29. Rff1 Rb5 30. Ka1 Rc5 31. Qh6 Nb4 {
und plötzlich steht Schwarz auf Gewinn!}) 27. Kb1 c4 28. dxc4 Be7 29. Rff1
Kxg7 30. c3 dxc3 31. Nxc3 Qe3 32. Nb5 h6 33. Bh1 Bc5 34. Rfe1 Qf4 35. Qe2 Qg3
36. Nd6 Ra7 37. Qg2 Qxg2 38. Bxg2 Nd4 39. Ne8+ {hier gab es eine bessere
Fortsetzung:} (39. Rxd4 Bxd4 40. Nb5 Bb6 41. Nxa7 Bxa7) 39... Kf8 40. Nf6 {
? vergibt seinen Vorteil.} Kg7 {? doch der CGP sieht es auch nicht:} (40... b5
41. cxb5 Nxb5 42. Rd8+ Ke7 43. Rc8 Bd4 44. Ng8+ Kd7 45. Rec1 Nd3 46. R1c4 Nb2
47. R4c5 Nd3 48. Rc4 Nb2 49. R4c5 Nd3 50. Rc4) 41. Rf1 Ndc6 42. Ne8+ Kf8 43.
Nd6 Bxd6 44. Rxd6 Ke7 45. Rd2 Ra8 46. Bh1 Rg8 47. Rg2 Rd8 48. Rgf2 Rd3 49. Bg2
Rg3 50. Rd2 Nb4 51. Re2 h5 52. Ref2 Nbd3 53. Rd2 Re3 54. Kc2 Nc5 55. Rg1 Nxe4 {
? eigentlich war die Partie schon stark remis verdächtig.} 56. Bxe4 Rxe4 57.
Rg8 Nc6 58. Rc8 Nb4+ {? das Pendelt schlägt nun immer mehr in Richtung des
Mephisto London.} 59. Kd1 Na6 60. Rcd8 Nc5 61. Rb8 Kf6 62. b4 Na4 63. Kc2 Nb2
64. Rf2+ Ke5 65. Rxb7 Rxc4+ 66. Kb3 f5 67. Re2+ Kf6 68. Rb6 Rc3+ 69. Kxc3 Na4+
70. Kd4 Nxb6 71. Re3 Nd5 72. Rb3 Ke7 73. Kc5 f4 74. b5 Kf6 75. Rxa3 Ke5 76. Rd3
Ke4 {hier zeigte sich die selektive Suche des Mephisto London dem CGP weit
überlegen. Die hohe Bewertung des London zeigte, dass er bereits den vollen
Durchblick im Gegensatz zum CGP hatte.} 77. Rxd5 exd5 78. b6 f3 79. b7 f2 80.
b8=Q f1=Q 81. Qe8+ Kf3 82. Qf7+ Kg2 83. Qxf1+ Kxf1 84. a4 {tja, es gibt ja
gleich noch eine Dame...} d4 85. Kxd4 Kg2 {und hier gibt der CGP auf. Trotz
beiderseitiger Fehler eine hoch interessante und spannende Partie.} 1-0




Somit lautet das Endergebnis:

ChessGenius Pro: 8
Revelation II Mephisto London ~ 68030, 66 MHz: 12


Bei den Prognosen zum Wettkampfergebnis hatte dieses Mal Robert und ich eine Punktlandung. Der Tipp von 8:12 ging in der Tat genau in Erfüllung. Aber auch Wolfgang und Markus lagen mit ihren Tipps von 7:12,5 auch ganz dicht dran.

Das Endergebnis dieses Wettkampfs entspricht meinem Empfinden nach dem tatsächlichen Spielstärke- Verhältnis der beiden Schachcomputer. Die Eröffnungsphase wird aufgrund der gleichen Eröffnungsbibliothek (London-Buch) von beiden Kontrahenten solide bis gut behandelt, teilweise wurde auch beiderseits sehr lange aus dem Buch gespielt.

Die Bewertungen in Eröffnung und im Mittelspiel weisen trotz tendenzieller Richtungs-Gleichheit erhebliche Unterschiede auf, im Endspiel sind nicht selten sehr ähnliche oder gar identische Bewertungen an der Tagesordnung.
Der Rev. II London rechnet im Mittelspiel durchschnittlich 6-7 Halbzüge Brute Force kpl. durch (natürlich zeitgemäß kein reinrassiges Brute Force). Der CGP schafft 2 glatte Halbzüge Brute Force mehr, also zwischen 8-9. Dieser Unterschied ergibt sich aus a) der schnelleren Hardware (ca. Faktor 7 für den CGP) und b) die intelligente, selektive Suche des London-Programms kostet natürlich Zeit und somit Rechentiefe.

Im Endspiel kommt der Rev. II London durchschnittlich auf 8-9 Halbzüge Brute Force, der CGP legt hier meist 2-3 Halbzüge mehr drauf (in reinen Bauernendspielen sogar bis zu 5 Halbzüge mehr!), also zwischen 10-12 Halbzüge!

Das Übliche Vorgehen des CGP, einer starken Abtauschneigung und das Verlassen auf ein den anderen Schachcomputern überlegenen Endspielkönnens, konnte gegen den Revelation II Mephisto London nicht funktionieren, denn das Endspiel behandelt der Revelation II Mephisto London mindestens gleichwertig.



Was mir in den 20 Turnierpartien aufgefallen ist:

Revelation II Mephisto London, ~68030, 66 MHz:

+ überwiegend gute Eröffnungsbehandlung
+ realistische Stellungsbewertungen
+ gutes Positionsspiel, auch wenn ein Nigel Short hier noch stärker ist
+ taktisch stark, dennoch nicht fehlerlos. Hier ist sogar die Kombination aus benachteiligter Hardware dem CGP überlegen, da hier Wissen und intelligente Suche den Hardwarevorteil des CGP wett machen.
+ für die Verhältnisse von Schachcomputern muss ein sehr starkes Endspiel konstatiert werden


- auch das London Programm ist in geschlossenen Stellungen „fähig“ sehr schwache Leistungen zu demonstrieren (s. Partie 3 des Wettkampfs)
- übersieht den ein oder anderen starken Angriffszug, bzw. notwendigen Verteidigungszug
- wie auch dem Programm des CGP, wenn auch seltener auftretend, kommt es ab und an zu strategischen Fehlzügen.
- Königssicherheit und dass Wissen für eigene Königsangriffe ist nicht ausreichend vorhanden



ChessGenius Pro:

+ überwiegend gute Eröffnungsbehandlung (London Buch)
+ aufgrund des schnellen Prozessors taktisch gefährlich
+ ein Endspielgigant aus der Perspektive der Schachcomputer
+ ungeachtet der erkennbaren Schwächen spielt das Gerät einfach erfolgreich

- unter Berücksichtigung der starken Hardware sind die taktischen Leistungen nur als leicht überdurchschnittlich zu bewerten.
- es treten vereinzelt schwache strategische Fehlzüge auf
- seltene Siege durch planvolle Königsangriffe, allein Rechentiefe kann hier und da den Anschein erwecken, etwas von Königsangriffen zu verstehen. Das Wissen hierüber ist aber nur spärlich vorhanden.
- aufgrund fehlenden Wissens und im Gegensatz zum Mephisto Vancouver/London auch fehlenden intelligenten Suchalgorithmen wirkt das Spiel des „Android-Genius teilweise etwas mechanisch. Positionell spielt der CGP praktisch nicht viel besser als der Mephisto Dallas- ein Programm das 1986 entwickelt wurde…, hier darf man einfach mehr erwarten.
- trotz insgesamt starkem Endspiel fehlt doch einiges an Wissen, z.B. dass Türme hinter den Freibauern zu postieren sind (Tarrasch-Regel)


Zusammenfassend erzielte der CGP also folgende Resultate:

ChessGenius Pro: 15,5
Revelation II Mephisto Dallas 68030, 66 MHz: 4,5

ChessGenius Pro: 12,5
Revelation II Mephisto Polgar ~36 MHz: 7,5

ChessGenius Pro: 14
Revelation II Novag Diablo ~66 MHz: 6

ChessGenius Pro: 14,5
Saitek Risc 2500, aktiv 128 KB RAM: 5,5

ChessGenius Pro: 10,5
Mephisto Berlin Pro: 9,5

ChessGenius Pro: 3
Rev. II Hiarcs 14.1, 1% Speed, 4 MB Hash: 17

ChessGenius Pro: 16
Rev. II Novag Super Forte C, 36 MHz, select 7: 4

ChessGenius Pro: 8
Rev. II Mephisto London, ~ 68030, 66: 12


Nur in dem Wettkampf gegen den gedrosselten Revelation II Hiarcs 14.1 war das Gerät völlig chancenlos. Auch nur dieser Gegner war im Stande, eine latente Programmschwäche des CGP wiederholt aufzudecken und zwar das mangelnde Streben nach der Rochade.

Es wurde also insgesamt ein Endergebnis von 94:66, gegen teilweise sehr starke Gegnerschaft, zu Gunsten des ChessGenius Pro erzielt. Intuitiv würde ich den ChessGenius Pro auf Basis der gespielten Partien in unserer Turnierschach Liste mit ca. 2330 Elo einschätzen! Nun benötige ich erst mal eine kurze schöpferische Pause


Vielen Dank nochmals an alle für Euer reges Interesse, für die Beiträge und Analysen zu den Partien.

Gruß
Egbert

Geändert von Egbert (26.03.2017 um 17:09 Uhr) Grund: Korrekturen
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