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Alt 31.01.2011, 11:19
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AW: Wie ist das bei Euch so, gegen Schachcomputer zu spielen ?

Hallo Xavier,

deine Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar!
Schon häufiger wurde darüber diskutiert, was die Unterschiede von Strategie und Taktik beim Schach sind und wie Computer in die Lage versetzt werden können, Strategie zumindest zu simulieren.

Um das zu verstehen, sollte man sich m.E. zunächst im Klaren darüber sein, dass aus menschlicher Sicht Strategie und Taktik beim Schach (und nicht nur dort) fließend ineinander laufen. Computer kennen an sich keine Strategie, sie können nicht von sich aus unmittelbar einen Plan entwickeln. Sie beziehen ihre Stärke beim Schach einzig aus ihren taktischen Fähigkeiten und je tiefer sie rechnen können (also je schneller sie sind) um so besser sind ihre Züge. Da sie völlig anders als Menschen rechnen, wirken ihre Züge oft "künstlich". Ab einer gewissen Suchtiefe aber werden Zugfolgen gefunden, die denen eines Menschen sehr ähnlich sind. Dadurch wird der Eindruck erweckt, sie hätten die Fähigkeit entwickelt einen Plan aufzustellen. Trotzdem ist und bleibt die ermittelte Zugfolge ein Produkt taktischer Suchtiefe - daran wird sich so bald nix ändern, es sei denn, man würde dem Computer Intelligenz einpflanzen. Doch davon sind wir (hoffentlich) noch meilenweit entfernt. Je schneller die Computer werden, desto tiefer können sie rechnen und um so "menschlicher" wirkt ihr Spiel. Das ist freilich nicht immer so, denn es hängt sehr viel von der Brettsituation ab - und diese ist stets sehr veränderlich. Auch die aktuell schnellsten Rechner produzieren immer noch jede Menge grauenvoller, "unnatürlicher" Züge. Doch dies bessert sich zusehends, das ist unstreitbar.

Ich kann durchaus verstehen, wenn Du von einem Brettgerät träumst, welches strategisch wie ein Mensch agiert. Wie Du schon richtig bemerkst, muss dafür eine sehr leistungsfähige Hardware verbaut sein. Doch der Preis für so ein (an sich tolles) Gerät ist der, dass es für einen Menschen praktisch nicht mehr zu schlagen ist und daher uninteressant wird. So ein Gerät zu drosseln, geht immer nur über den taktischen Bereich, denn der Computer kennt nichts anderes. Drosselt man aber seine Suchtiefe, geht das automatisch auch gegen seine "strategisch" erscheinende Spielweise. Dieser Weg kann also nicht zum Ziel führen, einen strategisch wirkenden und dennoch einigermaßen schlagbaren Computer zu erhalten. Man könnte auch versuchen, die Selektivität des Programms stark zu erhöhen, damit er diverse Wendungen übersieht. Doch bin ich fest davon überzeugt, dass er dann wieder an "menschlicher" Spielweise verliert. Verbreitert man dagegen die Selektivität, spielte er -vielleicht- noch etwas menschlicher, verlöre aber an Suchtiefe und das Problem beginnt von vorne. Die Schachprogrammierung ist leider noch lange nicht so weit, diese Gratwanderung erfolgreich zu bewältigen. Computer müssten echte Intelligenz besitzen um das gewünschte Ziel zu erreichen - dieser Preis wäre mir ehrlich gesagt etwas zu hoch...

Sehr interessant ist noch deine persönliche Feststellung, dass auch der stärkste aktuelle Brettcomputer beim Mittelspiel nicht besser als etwa 2100 Elo ist. Ich kann das nicht beurteilen, denn gegen diese Monster sehe ich ziemlich alt aus. Bei Geräten meiner "Kragenweite" habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie im Mittelspiel etwas stärker sind als ich und dann im Endspiel bzw. im Übergang abbauen. Daher ziehe ich für einen ungefähren Elovergleich regelmäßig 300 Computerelos ab - das passt meistens. Die ganz starken -modernen- Programme beherrschen das Endspiel wesentlich besser. Übertrage ich dies nun auf meine Spielstärke, so dürfte ich bei modernen Programmen nur weit weniger Elos abziehen - vielleicht noch 100 oder gar nur 50. Vielleicht sollte ich das mal probieren? Wenn das dann einigermaßen passen sollte, müsste ich aufgrund deiner persönlichen Einschätzung schlussfolgern, dass ein aktuelles starkes Programm nur aus etwa 2100 menschlicher Elos kommt, wobei ich ganz frech behaupte, die Mittelspielleistung eines modernen Programms bestimmt hauptsächlich seine Gesamtstärke, denn im Endspiel lassen sie ja nicht mehr so stark nach wie noch die alten Geräte. Das aber kann doch eigentlich nicht sein, denn wenn ich sehe wie GMs regelmäßig von PDAs abgeledert werden, dann können diese Programme nicht nur 2100 Elo aufweisen - und der Revelation als aktuell stärkstes kommerzielles Gerät ist ja prinzipiell nix anderes als ein PDA (auch wenn Ruud mich für diese Äußerung sicherlich vierteilen, federn und teeren möchte).

Gruß, Wilfried
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