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Alt 31.10.2016, 20:34
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Rasmus Rasmus ist offline
Mephisto London 68030
 
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AW: Vorabinfo: Termin für D.A.CH-Turnier 2016 steht fest !

Naturgemäß war ich ja gespannt, wie der CT800 sich machen würde. Das Teilnehmerfeld war eigentlich durchweg stärker als die 2100 ELO, mit denen ich ihn angenommen habe. Das hochgesteckte Traumziel war, eine Partie zu gewinnen. Deswegen habe ich ihn mit maximaler Übertaktung ins Rennen geschickt. "Hypercharge" nennt sich das Feature - 240 MHz statt der spezifizierten 168 MHz. Einen (nicht wahrnehmbaren) Systemtest vor jedem Zug macht er dann automatisch. Die Maschine hat alles gegeben und lief dabei völlig stabil.

Außerdem hat es den CT800 sichtlich aufgebaut, daß er nicht mehr der Einzige seiner Art ist. Michael hatte nämlich das von ihm nachgebaute Exemplar mit, so daß die beiden sich unterhalten konnten. Schließlich weiß nur ein CT800, was es bedeutet, ein CT800 zu sein, das kann ein anderer Schachcomputer nicht verstehen.

Technische Probleme hatte ich nur am Sonntag, und dann nicht mit dem CT800, sondern mit meinem Füller, der trotz genug Tinte erst nicht schreiben wollte. Immer diese Tintenstrahler. Nach ein paarmal Klopfen ging es dann aber.

Übrigens reichte auch der Akkusatz für das komplette Turnier, was ich angesichts der Labordaten aber auch nicht anders erwartet habe. Der Platzwechsel ging für den CT800 denkbar einfach - woanders hinstellen, einschalten.

Mir fiel bei den anderen Geräten auf, daß man offenbar nach Stromunterbrechung jedesmal wieder die Konfiguration einstellen mußte, was sich z.T. recht fummelig zu gestalten schien. Der CT800 hatte die Konfiguration (u.a. Zeitmodus und Übertaktung) einfach gespeichert und mußte daher nur angeschaltet werden. Auch am Sonntag nach der Abschaltung über Nacht klappte das.

Das wäre ein Wunsch für Entwickler von Schachcomputern - seht doch bitte eine Methode vor, wie ein gepufferter RAM-Bereich (Batterie oder Supercap) die Konfiguration jedenfalls ein paar Tage lang speichern kann. RAM und nicht Flash-ROM, weil RAM sich nicht abnutzt. Besonders bei teuren Geräten kann das ja auch keine auffälligen Kosten mehr bedeuten.

Aber auch bei Geräten mit Cortex-M4 wie bei Millennium sollte das gehen. Ich kenne deren Atmel-Chip jetzt nicht so exakt, weil ich mehr auf ST stehe, aber genau wie die von ST haben sie 32bit-Backup-Register. Ich brauche zwei solcher Register für die Konfig und eines für die CRC32-Prüfsumme, und die Atmel-Chips haben 8 solcher Register. Sollte passen, selbst wenn der Chess Genius (Pro) noch deutlich mehr belustigenden Spielkrams als der CT800 konfigurierbar hat. Was schwierig werden dürfte.

Lob übrigens an den Mysticum-Entwickler an dieser Stelle: Jemand war über das Kabel gegangen, an dem der Mysticum hing, und hatte ihn mitten in der Partie unversehens vom Netz getrennt. Genau wie der CT800 hat aber auch der Mysticum ein Autosave-Feature, so daß nach dem Hochbooten die Partie genau am richtigen Punkt wieder aufgenommen werden konnte, und zwar mitsamt der verbleibenden Bedenkzeit.

Mich wundert es nicht, daß viele Geräte das nicht können - ich bin auch erst auf den Autosave gekommen, weil ich dienstlich ein paar Wochen in Indien war, wo es normal ist, daß der Strom immer mal wieder für ein paar Minuten ausfällt.

Zurück zum Turnier:

Gleich in der ersten Partie konnte der CT800 sich gegen den London 68030 durchsetzen, was mich sehr erstaunt hat. Da scherzte Robert, ob da wohl ein PC drin sei, und daß man ihn mal zerlegen müßte. Daraufhin hat der CT800 sich überlegt, daß er sein Missionsziel ja mit dem Sieg bereits erreicht hatte und beschloß, gegen alle Tasc-Maschinen sicherheitshalber zu verlieren, bloß um Robert zu entwischen.

Gegen das R40 kam ihm bei dem Plan auch noch eine unglückliche Variante in der Eröffnungsbibliothek zugute, die ich mittlerweile ganz aus dem aktiven Repertoire rausgenommen habe. Diese Partie war die verheerendste, der CT800 kam überhaupt nicht ins Spiel. Gegen die anderen war er beim Verlieren kreativer, das muß ich noch analysieren. Positiv gesehen bleibt festzustellen, daß das Partieaufgabe-Feature des CT800 funktioniert.

Sehenswert war die Vorstellung des Tasc R30 V2.23, welches mit einem Damenopfer aufwartete. Allerdings nicht für ein schnelles Matt, sondern gegen zwei Leichtfiguren und einen Turm, oder so in der Art. Der CT800 konnte das dann letztlich nicht mehr halten.

Die Partie gegen den Turniersieger ließ sich eigentlich sehr gut an, bis der CT800 einen Bauern dreizügig eingestellt hat. Vermutlich wegen zu kurzer Denkzeit. Bis dahin kam der CT800 allerdings gut raus und nötigte dem CGP mehr Bedenkzeit ab als andere. Der CGP ließ daraufhin nichts mehr anbrennen und zog die Partie sauber bis zum Ende durch.

Gegen die Roma-Emulation auf dem Mysticum mit effektiven 40 MHz ging es in ein langwieriges Endspiel, in dem der Roma trotz Unterlegenheit noch Chancen auf Dauerschach gehabt hätte, was aber beide Maschinen nicht gesehen haben. Nach langem Ringen konnte der CT800 sich dann durchsetzen.

Überrascht hat mich die Partie gegen Fidelity V11 60 MHz, wo der CT800 mit schwarz tatsächlich einen Aljechin aufs Brett gesetzt hat. Das V11 ließ sich nicht lange bitten und legte mit der Jagdvariante nach. Ein Königsangriff wäre seitens des V11 vielleicht dringewesen, während der CT800 die Entscheidung am Damenflügel suchte. Durch einen taktischen Fehler des V11 bekam der CT800 dann einen unwiderstehlichen Angriff.

Meine Lieblingspartie war aber gegen die Vancouver-Emulation auf dem Revelation II, welche mit effektiven 60 MHz (aus Sicht der Vancouver-Software) lief. Das war ein Kampf bis aufs Messer, und zwar beiderseits. Dazu später noch die Partie und den Partiebericht.

Die Hauptschwäche des CT800 war eindeutig, daß er zu schnell zog. Nach 40 Zügen hatte er zum Teil gerade mal 10 Minuten verbraucht von der halben Stunde, die jeder hatte. Da muß ich das Zeitmanagement noch deutlich aggressiver umschreiben, denn zwar ist so im Endspiel genug Zeit, aber das ist bis dahin oftmals schon verloren.

Dennoch finde ich den Spielmodus mit 30 Minuten pro Spieler super, denn bei "Zeit pro Zug" nehmen sich etliche Geräte auch im Durchschnitt deutlich mehr. 30 Minuten Gesamtzeit verhindert nicht nur Monsterpartien, sondern ist vor allem auch in sportlicher Hinsicht fairer. Jedenfalls in der Kategorie A konnten das auch alle Geräte.

Ach ja, kurz vor dem Einpacken am Sonntag murmelte der CT800 noch leise "I'll be back" ("Ich komme wieder").

Ich habe mal seine Turnierperformance geschätzt; das ist natürlich statistisch nicht wirklich valide, weil es nur 8 Partien waren. Wahlweise sind die Geräte in der Wiki-Eloliste eh drin, oder ich habe deren Elo mit konservativ geschätzten 50 Elo pro Verdoppelung der Geschwindigkeit hochgerechnet.

Das Ergebnis für den CT800 ist in diesem Turnier: 2260 ELO. Das ist erheblich mehr, als ich ihn eigentlich einschätze, denn ich ging von 2100 aus. Auch die massive Übertaktung ist rechnerisch nur für 26 ELO-Punkte gut.

Mal sehen, ob er nächstes Jahr seinen Platz im unteren Drittel konsolidieren kann. Immerhin befindet er sich in aktiver Entwicklung, die anderen nicht. Die Kaufbeuren-Version habe ich als V1.01 offiziell ins Release geschickt; Verbesserungen kommen mit Folgeversionen.

Geändert von Rasmus (31.10.2016 um 20:36 Uhr) Grund: Typo
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