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Alt 21.12.2017, 10:51
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Solwac Solwac ist offline
Revelation
 
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AW: Selbstlernende KI: Neue Engine spielt auf Profi-Niveau

Ich weiß nicht, ob der Vergleich mit Fernschach hier so hilfreich ist. Die Suche von Stockfish ist selektiv und damit spekulativ. Im Dickicht vieler Bewertungen mit 0,00 ist Stockfish offenbar hart an der Grenze dessen was im Spiel gegen andere Computer noch hilfreich ist (siehe die vielen Remis gegen schwächere Gegner beim letzten TCEC), insgesamt aber gut aufgestellt. Einzelne Züge zu übersehen wie Lg5 gehört dazu, es können nicht alle Züge gefunden werden, für eine hohe Spielstärke müssen hier Kompromisse eingegangen werden. Solange Schachprogramme nicht so gut lernen können wie Menschen, solange werden solche Fehler teilweise auch im Detail wiederholt. In einem Match wie gegen AlphaZero mit sehr begrenzter Variation in der Eröffnung werden grundlegende Fehler im Spielaufbau dann auch ohne exakte Wiederholung der Zugfolge häufig gebracht und führen insgesamt zu einer erhöhten Verlustrate.

Im Laufe der Entwicklung von Schachprogrammen hat die Suche immer wieder Paradigmenwechsel erlebt. Zu Beginn war die statische Selektivität vorn, Brute Force hatte einfach keine Suchtiefe. Mit steigender Rechenleistung kamen die Erfolge von Brute Force, mit dem Höhepunkt Deep Blue. Aber im Windschatten kamen bereits die Programme mit dynamischer Selektivität (wesentlich Nullmove). Diese dynamisch beeinflusste Suche bekam mit LMR einen weiteren Schub und ist bei den besten Programmen locker 400+ Elo-Punkte im direkten Vergleich wert.

Inzwischen ist die Suche aber bereits dabei an die Grenze der 50-Züge-Regel zu stoßen, d.h. eine weitere Vertiefung bringt nicht mehr so viel und eine sinnvolle Verdichtung des Suchbaums könnte wieder mehr für die Spielstärke bringen. Dies könnte ein Grund für den Erfolg von neuronalen Netzen sein, sie selektieren nicht aufgrund statischen Wissens (was aufgrund handgestrickter und limitierter Bewertungsfunktionen Lücken hat) oder dynamischer Suche (was wie Nullmove und LMR bisher nur schwer mit Schachwissen angereichert werden konnte), sie erwerben durch den Lernvorgang sehr umfangreiches Wissen und können so bei kleinerem Suchbaum erfolgreich sein. In Verbindung mit der normalen Bewertungsfunktion werden Figuren bereits so gut positioniert, dass kaum noch taktische Fehler von der Suche übersehen werden.
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Egbert (21.12.2017), Hartmut (21.12.2017), RetroComp (21.12.2017)