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Alt 06.06.2018, 02:17
Hartmut Hartmut ist offline
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AW: Selbstlernende KI: Neue Engine spielt auf Profi-Niveau

 Zitat von StPohl Beitrag anzeigen
Nun ja, vielleicht als zusätzliche Engine (parallel neben einer klassischen Engine) als “Ideengeber“. Das könnte man machen, zumal Leela Cuda ja nur sehr wenig CPU-Leistung benötigt und daher die klassische Engine kaum bremst. Aber man muß immer im Hinterkopf haben, daß Leela taktisch alles andere als stark oder gar zuverlässig ist. Insofern sollte man alle Leela-Analysen immer durch eine klassische Engine taktisch “absichern“, sonst kann das böse enden.
Die neueste Leela Cuda vom 4.6. hat ein verändertes Parametersetting, welche taktisch etwas sattelfester sein soll...es ist allerdings noch experimentell. Und eine Taktik-Granate wird Leela nie werden. Dafür sind die Stellungs-Bewertungen durch das virtuelle Neuralnetz viel zu aufwendig und langsam.

Stefan
Da muss ich Stefan recht geben. Als Analyseengine würde ich Leela zwar durchaus einsetzen, aber man muss da sehr viel Vorsicht walten lassen. Die Stellungsbewertungen funktionieren bei Leela völlig anders als bei jeder anderen Engine. Was man auf jeden Fall machen kann ist, sich positionell Ideen zu holen. Auch in der Eröffnungsphase entwickelt das Programm sehr gute Ideen, mit denen man so manchen guten Plan entwickeln kann. Ich kenne kein Programm dass Leela in positioneller Hinsicht wirklich das Wasser reichen kann. Das Problem ist, dass - gerade gegen starke Engines - die sehr guten positionellen Ideen oftmals an der taktischen Anfälligkeit scheitern. Das heisst, Leela hat positionell die richtige Idee, wird dann aber eben taktisch ausgehebelt. Man merkt das am prinzipiellen Vorgehen von Leela sehr deutlich. Die Hälfte der Partien wird gewonnen, weil Leela in geradezu unverschämter Weise mit den Bauern vorstürmt, den Gegner einengt, etc. Die Folgen der Einengung werden von den Gegnern meistens nicht erkannt (oder erst wenn es zu spät ist). Dummerweise macht Leela dann oftmals Züge in denen sie ein- oder zweizügig den Vorteil wieder hergeben muss, weil irgendein taktischer Trick übersehen wurde. Während schwächere Engines dann die taktische Wendung nicht so leicht finden, kann man da den Top 3 (Stockfish, Houdini und Komodo) oder auch den Top 20 in den Enginelisten normalerweise kein X für ein U vormachen.

Will man selber in der Analyse - zum Beispiel im Fernschach - Ideen einbringen und die Engine diese Ideen prüfen lassen, dann hat Leela einen weiteren Nachteil. Sie speichert zwar die ihre Analysen der letzten 8 Züge und kann im normalen Spiel darauf zurückgreifen, hat aber keinen "konventionellen" Hash-Speicher. Spiele ich mit einer "normale" Engine aus einer gegebenen Ausgangsstellung eine Variante durch und komme dann in eine Stellung, in der der Gegner in Nachteil kommt (was die Engine vielleicht aus der Ausgangsstellung heraus vorher nicht gesehen hat) dann hat sie diese Folge im Hash gespeichert, sie wird dann diese Zugfolge auch aus der Ausgangsstellung heraus sehen und nicht abschneiden. Leela hingegen kann auf solche Informationen nicht zugreifen.

Der nächste Nachteil ist noch folgender. Wie gesagt kann Leela im praktischen Spiel auf die Rollouts der letzten 8 Züge zugreifen. Wenn ich eine Engine beim Fernschach für eine Analyse einsetze, dann spiele ich aber nicht nur eine Partie sondern meist mehrere. Speichere ich eine Stellung ab, dann habe ich die Stellung, nicht aber die Analysen der letzten Züge. Bei den meisten Engines gibt es zwischenzeitlich die Möglichkeit den Inhalt des Hash-Speichers abzuspeichern. Kommt jetzt der nächste Zug meines Fernschachpartners, kann ich diesen Hashspeicher auch wieder reinladen. Bei Leela gibt es - zumindest bisher - keinerlei Möglichkeit die Inhalte der letzten Rollouts, die Leela im praktischen Spiel zur Verfügung hat - in ähnlicher Form abzuspeichern. Das schränkt die Möglichkeiten als Analyseengine derzeit noch sehr stark ein. Aber vielleicht kann man sowas irgendwann noch einbauen. Derzeit - in der Trainingsphase - wird man auf solche Sonderwünsche jedoch wohl eher weniger Zeit und Energie verwenden.

Allerdings ist eines richtig. Die taktische Anfälligkeit ist in letzter Zeit wirklich geringer geworden. Aber es gibt trotzdem noch zu viele taktische Aussetzer...
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Geändert von Hartmut (06.06.2018 um 02:25 Uhr)
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