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Alt 31.12.2018, 11:58
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AW: Match 120'/40 Saitek Sparc - Vancouver 68020

Liebe Schachfreunde
Das 28. Match 120'/40 ist zu Ende mit einem klaren Sieger.
Zuerst folgt die letzte Partie mit Kommentaren. Anschliessend
ein Fazit dieses einseitig verlaufenden Wettkampfes. Auch alle
20 kommentierten Partien stehen als Download zur Verfügung.
Dann wünsche ich allen noch einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Viele Grüsse
Kurt


Match 120'/40, 20. Partie, C45: Zweispringerspiel | Bediener: Rolf Bühler | Remis | Endstand: 14,5-5,5 (+11 -2 =7) für den Saitek Sparc | Schwarz behandelt die Phase nach Verlassen der Eröffnungsbücher nicht ideal und bleibt mit einem hässlichen Doppelbauer auf der c-Linie zurück. Diese Schwäche hätte sich im Endspiel fast gerächt, aber der Vancouver 68020 war ausserstande, im geeignete Moment den Siegerpfad einzuschlagen. Aber endgültig den Sieg in den Sand gesetzt hat das Lang-Programm erst im 75. Zug, als er den Tausch der letzten Läufer anbietet und in einem Bauernendspiel landet, das leider nicht zu gewinnen war.

[Event "SaitekSparc_Vancouver32bit"]
[Site "Zürich"]
[Date "2018.12.29"]
[Round "20"]
[White "Mephisto Vancouver 68020"]
[Black "Saitek Sparc"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "C45"]
[WhiteElo "2204"]
[BlackElo "2254"]
[Annotator "Kurt Utzinger"]
[PlyCount "156"]
[EventDate "2018.??.??"]

1. e4 e5 {Match 120'/40, 20. Partie, C45: Zweispringerspiel | Bediener: Rolf
Bühler | Remis | Endstand: 14,5-5,5 (+11 -2 =7) für den Saitek Sparc |
Schwarz behandelt die Phase nach Verlassen der Eröffnungsbücher nicht ideal
und bleibt mit einem hässlichen Doppelbauer auf der c-Linie zurück. Diese
Schwäche hätte sich im Endspiel fast gerächt, aber der Vancouver 68020 war
ausserstande, im geeignete Moment den Siegerpfad einzuschlagen. Aber
endgültig den Sieg in den Sand gesetzt hat das Lang-Programm erst im 75. Zug,
als er den Tausch der letzten Läufer anbietet und in einem Bauernendspiel
landet, das leider nicht zu gewinnen war.} 2. Nf3 Nc6 3. d4 exd4 4. Nxd4 Nf6 5.
Nxc6 bxc6 6. Bd3 {***ENDE BUCH***} d6 7. O-O Be7 {***ENDE BUCH***} 8. Nc3 O-O
$14 {Weiss steht leicht besser dank seines Raumvorteils und der grösseren
Beweglichkeit seiner Figuren. Es ist jedoch eine schwierige Aufgabe, diesen
Vorteil auszubauen. Der schwarze Doppelbauer hindert nämlich Weiss daran, das
Feld d5 als starker Vorposten für einen Springer zu verwenden. Ferner besitzt
Schwarz die halboffene b-Linie, die ihm eine Aktion am Damenflügel
ermöglicht. So erzwingt z.B. ...Tb8 meistens die Antwort b3, worauf dieser
Bauer mit ...a7-a5-a4 angegriffen werden kann. Auch lässt sich mit ...Te8 und
...Lf8 auf der halboffenen Linie einigen Druck gegen den weissen e4-Bauer
aufbauen. Und falls Weiss nicht sorgfältig agiert, kann Schwarz mit ...d5 im
Zentrum ausgleichen. Das Bestreben von Weiss wird darin liegen (müssen),
seinen Raumvorteil für einen sorgfältig vorbereiteten Königsangriff mit f4,
geflissentlich gefolgt von g4 und h4, anzustreben und/oder nach f4 den
Vorstoss e5 zu machen. Eine Option ist auch, c2-c4-c5 zu spielen. In beiden
Fällen will man so ...dxe5 oder ...dxc5 erzwingen, wonach Schwarz mit einem
schwachen Doppelisolani auf der c-Linie zurückbleibt. Zusammengefasst ist
festzuhalten, dass die Behandlung dieser Stellung für beide Seiten
anspruchsvoll bleibt.} 9. Bc4 {Dieser Zug passt wenig zu einem der
vorgestellten Pläne.} ({a)} 9. f4 Nd7 10. Be3 Re8 11. Qd2 Bf8 12. Rae1 a5 13.
b3 Ba6 14. Bxa6 Rxa6 15. a4 Qb8 16. Qd3 Ra8 17. e5 Qb4 18. Ne4 h6 19. Bd2 Qb6+
20. Be3 Qa6 21. Qd1 Rad8 22. Qg4 Qc8 23. Qg3 Kh8 24. Bd4 d5 25. Nd2 c5 26. Bb2
Nb6 27. f5 d4 28. Ne4 Rd5 29. e6 fxe6 30. f6 Rf5 31. fxg7+ Bxg7 32. Rxf5 exf5
33. Nxc5 Nd5 34. Qf2 Ne3 35. Bc1 Qd8 36. Nd3 Re4 37. Bxe3 dxe3 38. Qxf5 Qd4 39.
Qc8+ Kh7 40. Qf5+ Kh8 41. Qc8+ Kh7 42. Qf5+ Kh8 43. Qc8+ Kh7 44. Qf5+ Kh8 45.
Re2 Re8 46. h3 Rf8 47. Qe6 Bf6 48. Kh2 Bg5 49. Qg4 Qxg4 50. hxg4 Kg7 51. Kg3
Rf1 52. Ne1 Bf4+ {0-1 (52) Sethuraman,S (2646)-Bu,X (2730) Riadh 2017}) ({b)}
9. h3 Nd7 10. b3 Bf6 11. Bb2 Bd4 12. Na4 Bxb2 13. Nxb2 a5 14. a4 Nc5 15. Qd2
Re8 16. Rae1 Qf6 17. Nc4 Nxd3 18. cxd3 Qd4 19. Nxa5 Qb6 20. b4 c5 21. Rb1 cxb4
22. Nc4 Qc6 23. a5 Be6 24. Rxb4 d5 25. exd5 Bxd5 26. Rc1 Qg6 27. Ne3 Rxa5 28.
Rg4 Qb6 29. Nf5 g6 30. Qc3 f6 31. Ne3 Be6 32. Rb4 Qd6 33. Rd4 Qe5 34. Nc4 Bxc4
35. Qxc4+ Qe6 36. Qxc7 Re7 37. Qd8+ {1-0 (37) Nepomniachtchi,I (2751)-Aronian,
L (2789) chess.com INT 2017}) 9... Nxe4 $2 {Und dieses Scheinopfer bringt
Schwarz in eine positionell minderwertige Stellung, was insbesondere
langfristig mit grossen Nachteilen verbunden ist.} 10. Nxe4 d5 11. Bd3 dxe4 12.
Bxe4 $16 {Nun hat Schwarz eine miserable Bauernstruktur am Damenflügel. Ein
reines Bauernendspiel würde Weiss gewinnen.} Rb8 {Für seine dauernden
Schwächen hat Schwarz zumindest vorübergehend eine gewisse Kompensation in
der offenen b-Linie und seinen aktiven Figuren. Der Druck auf b2 ist lästig
und zwecks Zeitgewinn für die Entwicklung kann Schwarz den Schwächling c6
einfach aufgeben.} 13. Qh5 {Das Schlagen auf c6 scheint durchaus möglich} (13.
Bxc6 Qxd1 14. Rxd1 Bf6 15. c3 Be6 16. Ba4 Rfd8 17. Rxd8+ Rxd8 18. Be3 {und
nach vollendeter Entwicklung fehlt dem Schwarzen eben doch ein Bauer}) 13... g6
14. Qf3 Bd7 15. c3 $6 (15. Bxc6 Bxc6 16. Qxc6 Re8 17. b3 Bf6 18. Rb1 Rb6 {
und die schwarze Kompensation vermag kaum zu genügen}) 15... Rb6 16. b3 Qc8 $6
{Das ist einfach zu passiv.} 17. Bh6 {Entwicklung mit Tempo} Re8 18. h3 {
Verhindert unnötigerweise ...Lg4.} (18. c4 $16) (18. Rae1 $16) 18... c5 19.
Rad1 (19. c4 $5) 19... Rf6 20. Qd3 Rd6 21. Qc2 Bf5 $6 {Lässt sich gar auf
Damentausch ein, was nicht im Sinne von Schwarz sein kann. Die Fortsetzungen a)
21...Lf6 oder b) 21...Lc6 sind aktiver.} 22. Bxf5 Qxf5 23. Qxf5 gxf5 {Jetzt
hat Schwarz gar zwei Doppelbauern, die ihm das Leben im Endspiel schwer bis
unerträglich machen können. Wie die Folge zeigt, ist das Ganze trotz allem
nicht so einfach.} 24. Bf4 Rxd1 25. Rxd1 Rd8 26. Rxd8+ Bxd8 {Dieses Endspiel
KL-KL ist trotz der schwarzen Bauernschwächen nicht einfach so gewonnen.
Stände der weisse König schon auf d3 und käme nach c4, ginge es einfach.}
27. c4 {Nun steht das Feld c4 dem weissen König nicht mehr zur Verfügung und
das erschwert die Sache.} (27. Be3 Be7 28. Kf1 Kf8 (28... a6 $6 29. Ke2 c4 30.
b4 Bf6 31. Bd4 Bg5 32. Be5 c6 33. f4 Be7 34. a4 Bd8 35. a5 Kf8 36. Ke3 Ke8 37.
Kd4 Be7 38. Kxc4 Kd7 39. Bd4 h5 40. g3 $18) 29. Ke2 Ke8 30. Kd3 Kd7 31. Kc4 Kc6
$13 {und es sieht nicht so aus, als ob ein weisser Gewinn zu erzwingen wäre})
27... Kg7 28. Kh2 c6 29. Bd6 Bb6 30. Be5+ f6 31. Bf4 Ba5 32. Bd6 Bb4 33. Kg3
Kf7 34. Kh4 Ke6 35. Bf4 Bc3 36. Kh5 {Kh6 ist eine echte Drohung.} Kf7 37. Kh6
Kg8 38. Bb8 a6 39. Bf4 Bd4 40. f3 Kh8 41. Bc7 Be3+ 42. Kh5 Bc1 43. Bb6 Ba3 44.
Kh4 Kg7 45. Kg3 Kg6 46. Kf2 f4 {Stellt einen weiteren Bauer auf ein dunkles
Feld; doch nach ...Kf5 findet der weisse König keine Einbruchsfelder mehr und
der weisse Läufer kann nie ein Tempo gewinnen. Kurzum: Es riecht für die
beiden Programme deutlich nach Remis. Irgendwie sollte es indessen doch
möglich sein, Schwarz in Zugzwang zu bringen und die Partie zugunsten von
Weiss zu entscheiden.} 47. Bc7 Kf5 48. Bd6 Bb4 49. h4 h6 50. Kf1 Ba3 51. Ke2
Bb4 52. Kf2 h5 53. Ke2 Ba3 54. Kd2 Bb4+ 55. Kd1 {Ein mögliches Gewinnszenario
beginnt mit 55.Kc2} (55. Kc2 Ba3 (55... Be1 56. Bxc5 Bxh4 57. b4 Ke6 58. Kb3
Kd7 59. a4 Kc8 60. b5 cxb5 61. cxb5 axb5 62. axb5 Kb7 63. Kc4 $18) 56. Kc3 Bb4+
57. Kb2 a5 58. Bc7 Be1 59. a3 Bd2 60. Kc2 Be1 61. Kd3 Ke6 62. Bxf4 Bxh4 63. Bd2
a4 64. bxa4 f5 65. a5 Kd7 66. Bf4 Kc8 67. a6 Bf6 68. Bd6 Bg5 69. Bxc5 $18)
55... Ba3 56. Ke2 Bb4 57. Kf2 Ba3 58. Kf1 Bb4 59. a4 Ba3 60. Ke2 Bb4 61. Kd1
Ba3 62. Ke1 Bb4+ 63. Ke2 Ba3 64. Kd2 Bb4+ 65. Kd3 a5 66. Ke2 Ba3 67. Kd2 Bb4+
68. Kd1 Ba3 69. Ke2 Bb4 70. Kd3 Ba3 71. Kc3 Bb4+ 72. Kb2 Bd2 73. Bxc5 {Nach
langwierigem Hin- und Her hat es Weiss doch geschafft, einen Bauer zu erobern.}
Ke6 74. Bd4 f5 75. Bc3 $2 {Vergeigt die Partie zum Remis. Zu gewinnen war die
Partie wohl mit a) 75.Kc2 oder auch 75.Lb6} Bxc3+ {Die Stellung ist
ausgeglichen.} 76. Kxc3 c5 $1 {Nun gibt es für den weissen König keine
Möglichkeit mehr, inm die gegnerische Stellung einzudringen.} 77. Kd2 (77. Kd3
Ke5 78. Ke2 Kd4 79. Kd2 Ke5 80. Kc3 $11) 77... Ke5 78. Kc2 Kd6 {Remis
abgebrochen, denn dieses Endspiel bewerten beide Programme richtig.} 1/2-1/2



Fazit des 120'/40 Matches über 20 Partien zwischen
Saitek Sparc - Mephisto Vancouver 68020 (14,5-5,5)

Der hohe Sieg des amerikanischen Programms im Match Saitek Sparc (Elo 2254) - Mephisto Vancouver 68020 (Elo 2204) mit 14,5-5,5 (+11 -2 =7) stellt eine Riesenüberraschung dar. Der Vancouver 32bit verliert somit in gleicher Höhe wie der Almeria 68000 im 24. Match. Sowohl der Almeria 68020 (mit 8,5/20) als auch der Portorose 68020 (mit 7,5/20), gar nicht zu reden vom Lyon 68020 (mit 10,5/20), haben ein besseres Ergebnis erzielt als das bislang stärkste im Einsatz stehende Programm von Richard Lang. Und höchst erstaunlich entspricht die hohe Niederlage des Vancouver 68020 (mit 5,5/20) auch durchaus dem Matchverlauf. Der Saitek Sparc war dem Vancouver 32bit praktisch in allen Belangen (Eröffnung, Mittelspiel, Endspiel) überlegen. Für diese unerklärliche Niederlage des Mephisto-Gerätes haben wir nur eine Erklärung. Der Saitek Sparc muss explizit auf den Vancouver 32bit getunt bzw. abgestimmt sein. Ein Indiz dafür liefert auch der Umstand, dass der Saitek Sparc fast in jeder Partie länger (1-4 Züge) im Eröffnungsbuch war und daher meistens die bessere Ausgangslage für den eigentlichen Kampf für sich beanspruchen konnte. So verwundert es nicht, dass der Vancouver 32bit einige Male fürchterliche Niederlagen hinnehmen musste in Partien, wobei der Saitek Sparc schon frühzeitig nach Verlassen der Eröffnungsbücher eine Gewinnstellung auf dem Brett hatte. Die Markteinführung des Mephisto Vancouver erfolgte 1991, während der Saitek Sparc erst 1993 käuflich war. Allerdings ist bekannt, dass schon an der Computer WM 1992 in Madrid (7. WCCC) der Vorgänger (Prototyp?) des Saitek Sparc mit dem Namen Kasparov SPARC mitgespielt hat. Und da zu jener Zeit unter den Brettcomputern der Mephisto Vancouver als Platzhirsch galt, ist eine Feinjustierung des Saitek Sparc an das Programm von Richard Lang als wahrscheinlich anzusehen. In diesem Sinne liegt Roberto im Forum Schachcomputer.info wohl auch richtig, wenn er schreibt "Wenn dem so ist, würde es auch sehr gut erklären, warum der Saitek gegen die Vorgänger des Vancouver deutlich schlechter abschneidet und warum selbst der kleine Bruder des Vancouver 68020 gegen andere starke Rechner einfach besser klar kommt (s. dazu mein Pokalturnier) als gegen den Sparc." Wer an unserer "Theorie" zweifelt, darf das natürlich tun mit dem Hinweis, dass dieses Match einfach einem statistisch negativen "Ausreisser" des Vancouver 68020 gleichkommt.
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