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Alt 13.12.2017, 14:50
Hartmut Hartmut ist offline
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 Zitat von Wolfgang2 Beitrag anzeigen
Eröffnungen
Da wird beispielsweise kritisiert, dass es in der "Trainingsphase" Niederlagen mit Schwarz im Damengambit oder Grünfeld-Indisch gab. Ja und ? Vielleicht sind diese Eröffnungen tendenziell schwach für Schwarz. Ich vermute, auf diesem Gebiet, was gute oder schlechte Eröffnungen sind, wird die nächsten Jahre mittels elektronischer Unterstützung noch viel mehr heraus kommen. Vieles ist ja heute schon auch nur deswegen gut spielbar, weil der (menschliche) Gegner sich damit nicht auskennt.
Tja, man könnte daraus aber auch andere Schlüsse ziehen. AlphaZero hatte durch das Training Eröffnungswissen, Stockfish hatte im folgenden Wettkampf aber kein Buch. Folge: AlphaZero hat bewusst die Eröffnungen vermieden, die für ihn "nicht gut" waren während Stockfish eröffnungstheoretisch nicht dagegen halten konnte. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

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Gewinnquoten
Ist ein Vorwurf berechtigt, wenn es fast nur Siege mit Weiß gab ? Da bin ich mir nicht sicher. Es wurde, m.E. zurecht, auf die hohe Remisquote im Spitzenschach hin gewiesen. Denn wenn keine Fehler gemacht werden, wird der Aspekt der Remisbreite relevant. Und diese ist nicht so arg klein.
Außerdem kann es ja durchaus sein, dass Schwarz theoretisch bei bestem Spiel gar nicht gewinnen kann.
War es denn ein Vorwurf? Für mich ist das erstmal eine Feststellung. Ich habe das nicht als Vorwurf empfunden, allenfalls als eine sehr stark ins Auge fallende Tatsache.

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Der Hardware-Vorteil von AlphaZero o.k.
Andererseits ist ein 28:0 schon sehr eindeutig.
Er liegt aber in der Erwartungsquote. Wie gesagt, lass einen 64-Core Stockfish gegen einen 1-Core Stockfish antreten und das Ergebnis wird ählich aussehen. Im übrigen war es ja kein 28:0 sondern das Ergebnis lautete +28 =72 -0, also 64:36, das heisst eine Erfolgsquote von 64 %. Eine Gewinnerwartung von 64 % entspricht einem Elo-Unterschied von etwas über 100 Punkten. 100 Punkte Elo-Differenz bei weit überlegener Hardware, wohlgemerkt. Sehe ich mir z.B. die CCRL Liste an
http://www.computerchess.org.uk/ccrl..._list_all.html
so fällt mir auf. Die Differenz z.B. zwischen asmFish 4 Core und asmFish 1 Core liegt bei 74 Punkten, bei Kommodo 11.2 4 Core und Kommodo 11.2 1 Core sind es sogar fast 80 Punkte. Bereits bei einem Unterschied 4:1 Core ist also bereits eine Elo-Steigerung von 80 Punkten möglich.

Zwischen AlphaZero und Stockfish war das Geschwindigkeitsverhältnis in der Prozessorleistung sogar bei 50:1 Da ist angesichts des Hardwareunterschied eine Erfolgsquote von 64% also etwas über 100 Elo-Punkten nun nicht wirklich überraschend, ganz im Gegenteil, sie ist sogar enttäuschend.

Nimmt man den Geschwindigkeitsunterschied als Basis, dann hätte das Ergebnis weit deutlicher ausfallen müssen. Und leider wurden ja nur 10 Partien veröffentlicht. Wir wissen nicht, ob bei höherer Rechenleistung nicht weit mehr für Stockfish drin gewesen wäre oder unter welchen Umständen die Remis erzielt wurden. Wir haben 10 Beispielpartien aus einem Wettkampf, dessen Ergebnis angesichts des Geschwindigkeitsunterschieds zu erwarten war, bzw. das sogar zu niedrig für AlphaZero ausgefallen ist und können daraus allenfalls entnehmen dass AlphaZero bestimmte Stellungstypen sehr gut beherrscht und in diesen Stellungen überlegen ist. Unter welchen Umständen die anderen Siege errungen wurden wissen nicht. Ob Stockfish in den verbliebenen 72 Remispartien das eine oder andere Mal nicht vielleicht sogar die bessere Stellung hatte und diese aufgrund zu langsamer Hardware nicht zum Gewinn führen konnte wissen wir ebenfalls nicht. Eigentlich wissen wir so gut wie gar nichts. Deswegen sollte man das Ergebnis erstmal lieber etwas nüchtern betrachten, auch wenn ich als Informatiker es durchaus auch gerne durch die rosa Brille sehen möchte. Aber ich beschäftige mich leider schon zu lange mit dem Thema Wissenschaft um die Schwächen dieser Studie nicht zu sehen. Und sie hat erhebliche Schwächen.

Zitieren:
Ich vermute, Kurt hat recht, wenn er oben sagt, dass man SF8 auch fünf Stunden geben könnte, und er Txc5! trotzdem nicht findet. Wenn dem so ist, dann wäre das Argument Rechengeschwindigkeit irgendwann auch eher dünn.
Nö, andere und teilweise viel ältere Engines als Stockfish finden den Zug ja ebenfalls. Das sagt erstmal nur aus, dass Stockfish mit dieser speziellen Stellung nicht umgehen kann. Nicht mehr und nicht weniger. Andere schlechtere Engines finden den Zug, würden aber im Wettkampf gegen Stockfish trotzdem unterliegen. Das Beherrschen einer bestimmten Situation sagt erstmal nichts über die Gesamtspielstärke aus. Gerade deswegen wäre ein Wettkampf mit vergleichbarer Hardware wichtig gewesen. Und die Chance hat man - bewusst oder unbewusse - vertan. Und ehrlich gesagt, wenn ich bedenke wie die Hashtables eingestell wurden, möchte ich fast eher "bewusst" unterstellen.

Zitieren:
Insgesamt denke ich, muss man einfach konzidieren, dass hier ein "intelligenter" Schritt nach vorne gelungen ist.
Naja... es ist eher ein "Back to the roots". Man hat festgestellt, dass Stellungen die ältere Schachprogramme mal lösen konnten (Rybka, Anmon) herbeigeführt werden müssen, die Stockfish nicht lösen kann und dann mittels einem neuronalen Netz ein Programm geschaffen, dass genau das beherrscht. (Man hat das Netz ja auch mit Partien von Stockfish trainiert...). Daneben hat man bewiesen, dass so ein Programm in Verbindung mit weit überlegener Hardware in der Lage ist einen Stockfish in ungünstiger Konfiguration zu schlagen. Dazu hätte ich die Google-Cloud für das Neuronale Netz nun nicht wirklich gebraucht. Ein entsprechender Server mit entsprechend vielen Kernen und Rybka 4 drauf gegen einen 1-Core Stockfish hätte das vermutlich auch zeigen können.
__________________
Mein Profil beim ICCF (International Correspondence Chess Federation)
https://www.iccf.com/player?id=89948&tab=3

Geändert von Hartmut (13.12.2017 um 16:24 Uhr)
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RetroComp (13.12.2017)