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Alt 13.12.2017, 14:28
Hartmut Hartmut ist offline
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AW: Selbstlernende KI: Neue Engine spielt auf Profi-Niveau

 Zitat von Wolfgang2 Beitrag anzeigen
Ich sehe das ein bisschen anders. Wenn Zugzwang nicht als strategisches Element erkannt oder hinreichend gewürdigt wird, ist das ein Mangel.
Genauso unbefriedigend ist es, wenn solche Situationen nicht beurteilt werden können.
https://www.schachcomputer.info/foru...5&postcount=24

Die klassischen Top-Engines mögen in einer kompletten Partie unschlagbar sein. Aber zur Perfektion fehlt noch ein gutes Stück. Und der Perfektion kommt AlphaZero meines Erachtens einen ganz gewaltigen Schritt näher.

Ich habe Stockfish 8 an der ersten Studie aus dem Video rechenen lassen.
Nach einer guten Stunde Rechenzeit und 8.316.830.017 Knoten zeigt er immer noch 1. ... Db4-f4 +0,35; Tiefe 48/77-
Dem will ich nicht widersprechen. Das solche Motive nicht oder nur schwer gefunden werden, ist nichts Neues und begegnet mir in der Fernschachpraxis immer wieder. Ein Grund, weswegen mir Fernschach nach wie vor Spaß macht, denn die dummen Engines sehen eben doch nicht alles. Insofern hast Du schon recht.

Ich will aber an dieser Stelle eben betonen, dass sich mein letzter Post eben auf das Ergebnis in Bezug auf die unterschiedliche Hardware bezog. Und hier ist das Ergebnis von 28 Gewinnpartien aus 100 insgesamt erstmal nicht erstaunlich. Da ist es fast schon bemerkenswerter dass ein um den Faktor 50 langsameres Gerät (man beachte: keine Eröffnungsbibliothek und eine absolut katastrophale Hashtableeinstellung) 72mal Remis gehalten hat.

Wir wissen bereits seit den Zeiten unserer Oldies, das manche Programme taktische Stellungen besser behandeln, manche eher positionell geprägt sind. Das ist heute nicht anders als damals. Das Problem ist, dass an dieser Front von den Programmierern - aus welchem Grund auch immer - nur darauf geschaut wird, die Gesamtspielstärke im einstelligen Elo-Bereich zu steigern um sagen zu können "Ich bin 10 Elo-Punkte besser". Die Behandlung einzelner Stellungstypen (In deinem Beispiel ein Zugzwangmotiv) bleibt dabei außen vor und ist auch für die Steigerung der Gesamtspielstärke im Vergleich zu anderen Engines wenig relevant. Auch das merke ich in meiner Fernschachpraxis immer wieder. Stockfish ist eine - vielleicht die stärkste - Eingine unter vielen. Benutzt mein Gegner im Fernschach "nur" Stockfish dann freue ich mich, denn ich werde die Partie aller Voraussicht nach gewinnen.

Es stimmt allerdings - und da gebe ich Egbert recht - dass AlphaZero ein weit intelligenteres Schach zu spielen scheint welches - im Gegensatz zu den gängigen Engines - auch sehr planvoll aussieht. Aber genau das ist gerade mein Problem. Gerade weil AlphaZero "anders" spielt wurmt es mich, dass der Vergleich hardwaremäßig derart unfair durchgeführt und Stockfish durch falsche Einstellungen noch gebremst wurde.

Man sieht an der Art der Partieanlage dass AlphaZero einiges sehr gut kann. Warum hat man dann den ehrlichen Vergleich gescheut nur um publikumswirksam dann berichten zu können, man habe das beste Schachprogramm hoch abgeschlagen? Warum hat man den hardwaremäßig schwächeren Gegner dann noch durch falsche Hashtable-Einstellung künstlich zusätzlich weiter ausgebremst? Für mich sieht das - auch wenn ich das intelligente Spiel von AlphaZero durchaus zu schätzten weiss - nicht sehr seriös aus und es bleibt das Geschmäckle, dass man um schnell Ergebnisse präsentieren zu können - den fairen Vergleich gescheut hat. Und damit begibt man sich leider auf das Niveau der "Ich bin 10 Elo besser"-Programmierer.

Vielleicht 4 Tage statt 4 Stunden Training und ein Wettkampf auf Augenhöhe mit vergleichbarer Hardware und man hätte (vielleicht) wirklich etwas seriöses zu berichten gehabt. Das hätte mich dann überzeugt. So bleibt erstmal nur die Feststellung, dass AlphaZero gewisse Stellungen besser behandelt als die gängigen Engines und wohl auch gezielt auf diese Stellungen hinarbeitet. Ob das ausreicht die TopEngines auf Augenhöhe zu schlagen? Den Beweis ist uns die Firma DeepMind bisher leider schuldig geblieben und hat erstmal - frei nach dem Forschergrundsatz "Publish or perish" eine angreifbare Studie geliefert.

@Kurt

Es gibt übrigens Engines die in der geposteten Stellung Txc5 finden. Das uralte Programm AnMon 5.75 braucht keine 2 Sekunden dafür, findet dann nach 1. ...bxc5 2. Dh4 nicht. Auch Rybka 4 findet Txc5 den Zug sofort braucht dann aber eine Weile um 2. Dh4 zu finden. Stockfish allerdings findet es tatsächlich nicht. Für die Gesamtspielstärke sagt das allerdings wenig aus. Was nutzt es, wenn ich Stellungen finden kann, die Rybka und der alte AnMon in weniges Sekunden lösen können, die Stockfish nicht findet, wenn Stockfish in einem Wettkampf trotzdem haushoch gewinnen würde? Nichts. Das einzige was ich dadurch erfahre ist:

1. für gewisse Stellungen brauche ich gewisse Engines
2. für andere Stellungen brauche ich andere Engines.
3. Für einen Wettkampf ist es irrelevant welche speziellen Stellungen einer bestimmten Engine liegen.

Und das wusste ich ehrlich gesagt vorher schon.
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Mein Profil beim ICCF (International Correspondence Chess Federation)
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