
Zitat von
Chessguru
(...)
Persönlich liegt mir das praktisch Spiel deutlich näher, als die Durchführung von Teststellungen. Diese sind durchaus unterhaltsam und können Rückschlüsse auf die Stärken und Schwächen der Programme geben, aber "was zählt is' auf'm Platz". Daher würde ich mir während einer Partie nicht die Frage stellen, ob ein Matt in 7 oder 8 nun die bessere Fortsetzung wäre, sondern nur die Frage, ist es ein Matt?
(...)
Hallo Michael,
ganz eindeutig geben komplette partien und turniere einen realistischeren überblick über die stärke von schachprogrammen als einige mehr oder weniger willkürlich herausgegriffene teststellungen.
Allerdings haben die tests historisch gesehen vor 20 und 30 jahren eine ganz andere rolle gespielt als heute.
Als die begeisterung für schachcomputer auf ihrem höhepunkt war, waren tausende daran interessiert, die spielstärke ihres geräts irgendwie einzuordnen.
Was aber war zu tun, wenn man -wie die überwiegende mehrheit - ein einziges gerät besaß? Das gerät vom vorjahr wurde man damals per zeitungsannonce - nix eBay

- gerade in der vorweihnachtszeit reißend wieder los. Unter dem tannenbaum lag dann das neue.
Internet und die zugehörigen schachserver waren noch utopie, partien in großer anzahl also nicht herstellbar. Gespannt wartete ich auf jede neue ausgabe der SSDF-liste, weil die auf turnierpartien beruhte. Ab und an traf man sich mit einem bekannten, der ebenfalls stolz sein neues gerät präsentierte, und ließ die kisten zwei, drei partien gegeneinander spielen. Hinterher wusste man "bescheid".

Also kamen teststellungen wie gerufen. Ich besitze einen dicken aktenordner, in dem ich seit 1980 stellungen sammelte und akribisch notierte, wie lange jedes einzelne gerät, das ich jemals in die hände bekam, für die lösungen brauchte.
Um so glücklicher war ich, als dann aufgabensammlungen veröffentlicht wurden, die einen gesamtüberblick ermöglichten.
Der Bednorz-Tönissen-test wurde in heft CSS 5/1991 veröffentlicht, hatte aber schon etliche vorgänger, wie z.b. den Colditztest (Dirk Frickenschmidt: Schach mit dem Computer, Falken-Verlag 1985) oder den Yazgactest (N.H.Yazgac: Schachcomputer - Was sie wirklich können, Joachim Beyer Verlag 1989) sowie mehrere andere.
75 aufgaben beim Yazgactest haben nicht gestört, man hatte ja praktisch ein jahr lang zeit.
Kontrovers wurde die diskussion über stellungstests eigentlich erst, als immer deutlicher wurde, dass die tests fast nur taktische probleme enthielten. Die lösungen positioneller aufgaben sind aber schwer eindeutig definierbar. Insbesondere in den computerschachforen, die ihren schwerpunkt damals schon auf PC-programmen hatten, wurden jahrelang erbitterte grabenkriege pro und contra stellungstests geführt.
Ich vertrete die meinung, dass diese tests eine orientierung geben können, nie aber das gesamte spektrum von spielstärke abdecken können. Wer also freude daran hat, möge sie einsetzen. Wer aber zu viel in das ergebnis hinein interpretiert, der ist auf dem holzweg. Auf diesem holzweg habe ich in den damaligen diskussionen allerdings auch manchen achsbruch erlitten, weil ich manchmal zu testgläubig war. Aber man ist ja lernfähig.
Viele grüße
Horst