
Zitat von
HPF
Also Willi,
deine Meinung über Elo-Listen sehe ich aber anders. Sie gibt nach meiner Meinung an, wie gut einer über das gesamte Schachspiel ist, wie gut er es kann und beherrscht. Ein guter Schachspieler ist nicht unbedingt auch gut beim Blitzen, er ist aber auch nicht schlecht bei dieser Disziplin. Ein guter Mittelspieler, der aber Endspiele nicht besonders beherrscht z. B., wird kaum in einem Turnier gewinnen. Eine hohe Elozahl ist schon ein Merkmal für einen guten Spieler. Sie ist nach Meinung nach, mehr als nur ein Hinweis. Wie willst Du einen Schachspieler/-computer ansonsten beurteilen?
Nichts für ungut
Paul
Jedem seine Meinung, oder Paul?

Ich will meine mal etwas verdeutlichen, da ich nicht glaube, dass Du sie richtig verstanden hast:
Die Elo-Listen (und ich betone ausdrücklich, dass ich die Elo-Listen der Schachcomputer meine) geben aufgrund von Ergebnissen (+/=/-) eine relative Spielstärke gemessen an der Gesamtmasse aller (erfassten) Geräte an. Nicht mehr und nicht weniger. Die Listen sind jedoch völlig ungeeignet, die Eigenschaften (sprich: Stärken und Schwächen) eines bestimmten Gerätes detailliert wieder zu geben und damit ausserstande, dem Anwender Aufschluss darüber zu geben, ob jenes Gerät für seine Zwecke dienlich ist. Hier ist es unerläßlich, Partien in ihrem Gesamtbild zu betrachten. Wenn ich z.B. an einem endspielstarken Gerät interessiert bin, kann ich mich nicht rein auf das Partieergebnis verlassen. Wer sagt mir ohne Einblick in die Partie, dass das Siegergerät aus einem Vergleich diese Spielphase wunschgemäß meistert? Der oftmals "missbrauchte" Spruch, eine Partie würde im Endspiel entschieden, ist bekanntermaßen "Patzerlatein". Wenn nun ein Gerät bereits im Mittelspiel "gewonnen" hat und den Vorteil im Endspiel dann zum Sieg verwerten konnte, so weiß man immer noch nicht ob das Gerät im Endspiel wirklich gut war oder ob es regelrecht versagte und sich mit mehr oder weniger "Glück" (jaja ich weiss: Im Computerschach gibt es kein Glück...) hat behaupten können. Das Endergebnis eines Matches ist allein also keineswegs so aussagekräftig, wie man vielleicht annehmen sollte. Ein weiteres und ich hoffe gutes Beispiel, warum Elo-Listen nicht der Weisheit letzter Schluss sein können - jedenfalls nicht für mich: Lassen wir spaßeshalber einen Milano gegen einen Milano Pro antreten. Der Milano beherrscht das Endspiel subjektiv gesehen etwas besser als der in dieser Spielphase vergleichsweise "dumme" Milano Pro. Wir werden aber nur selten in den Genuss kommen zu sehen, wie der Milano den Milano Pro im Endspiel "zerlegt". Grund hierfür ist die brachiale Rechengewalt des Milano Pro im Mittelspiel. Hier wird der Milano in aller Regel so sehr zusammengeschoben, dass ihm sein Endspiel-Vorteil nichts nutzt - es kommt kaum zu einem wirklichen Endspiel und wenn, dann ist es meist von vorne herein gewonnen für den Milano Pro. Wir (d.h. wohl die meisten von uns) wissen das - doch die Elo-Listen haben uns das nicht verraten, sondern unsere Beobachtungen während der Spiele. Und um den ganzen die Krone aufzusetzen sei noch angemerkt, dass ich im praktischen Spiel gegen Milano wesentlich größere Probleme habe als gegen den laut Elo-Listen deutlich stärkeren Milano Pro. Der schwammige Spruch "das Programm spielt irgendwie menschlich" vermag in etwa auszudrücken, warum das so ist. Anhand der Partieverläufe könnte man des ggf. sogar auf den Punkt bringen. Aber eine Elo-Liste wird hier keine Aufschlüsse bringen - und das ist nun mal Fakt.
Dabei spielen die Computer-Elo-Listen für mich sicher keine unwesentliche Rolle. Sowas will ich gewiss nicht zum Ausdruck bringen. Elo-Listen sind für das Computerschach wichtige Indikatoren. Aber sie sind (zumindest für mich) nicht der Weisheit letzter Schluss. Beim Menschen sieht das mit der Elo-Liste ganz anders aus. Hier gäbe es so viele Faktoren zu berücksichtigen, dass man sich wirklich besser rein auf die Partieergebnisse beschränkt. Hier geht es auch nicht selten um viel Geld - da haben subjektive Betrachtungsweisen einfach keinen Platz.
Gruß, Willi